Friedrich Justin Bertuch ist allgemein bekannt als Schriftsteller und erfolgreicher Unternehmer der Goethezeit, jedoch weniger für sein gartenkünstlerisches Wirken. Seine Naturliebhaberei begann in Cospeda, wo er in reizvoller Umgebung heranwuchs. Später gestaltete er mit seiner Braut Carolina Slevoigt und seinem künftigen Schwiegervater nahe Waldeck (Saale-Holzland-Kreis) ein Stück Land „mit rauhgestalteten Felspartien, Gebüsch- und Waldstrecken, Brücken und sanften Pfaden“. Sogar Herzog Carl August wollte von Dornburg aus „nach Waldeck auf die Rehjagd gehen, um Bertuchs Monplaisier zu sehen“. (1)
Vom Wörlitzer Park inspiriert planten Carl August und Johann Wolfgang von Goethe ein begehbares Kunstwerk zu schaffen, in dem man sich ohne höfische Etikette erholen konnte. Das Kalte Küche genannte Areal wurde zum Ausgangspunkt für den heute bekannten Park an der Ilm. Am 17. April 1787 vertraute der Herzog seinem Schatullier und Geheimsekretär Bertuch Kasse und Rechnungsbücher an, bald darauf die Oberaufsicht über sämtliche im Park zu erledigende Arbeiten. Carl August selbst zog an der Spitze eines Kürassierregiments gen Holland.
Bertuch, inzwischen zum Legationsrat ernannt, hielt in Weimar die Stellung. Er verfasste Gartenarbeitsmemoranden, die von namhaften Hofgärtnern sowie bis zu hundert Tagelöhnern und Handwerkern praktisch umgesetzt wurden. Als Berater agierte der für seine künstlerischen Innovationen bekannte Georg Melchior Kraus.
Den vorbildlichen Wörlitzer Park kannte Bertuch aus eigener Anschauung. Ihn verbanden enge Kontakte mit Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau sowie der Gärtnerstochter Leopoldine Luise Schoch, die mit dem Fürsten in morganatischer (nicht standesgemäßer) Ehe zusammenlebte. Ihr Vater, der Gartendirektor Johann Leopold Ludwig Schoch, versorgte den Weimarer Hof mit Sämereien. Um die Verbundenheit Weimars mit dem Fürsten Franz zu betonen, wurde über dem linken Ilmufer der Dessauer Stein errichtet. Weitere Parkarchitekturen wie das Römische Haus, Brücken und Anpflanzungen folgten. Goethe lobte die Bemühungen des Legationsrates Bertuch, der die Weimarer Anlagen „unter Serenissimi Direktion“ mit Umsicht verwaltete und sich gleichzeitig der Gestaltung eines ansehnlichen Privatgartens widmete.
Bertuch gab seine Erfahrungen gern weiter. In Zusammenarbeit mit dem in Kleinfahner (Landkreis Gotha) wirkenden Pfarrer und Pomologen Johann Volkmar Sickler entstand 1794 die Zeitschrift Der Teutsche Obstgärtner: oder gemeinnütziges Magazin des Obstbaues in Teutschlands sämmtlichen Kreisen, nachfolgend Allgemeines Teutsches Garten-Magazin (1804–1826) genannt. Darüber hinaus lieferte das Bertuchsche Landes-Industrie Comptoir Modelle von insgesamt 298 verschiedenen Obstsorten. Die naturgetreuen, von dem Töttelstädter Konditor Ernst Heinrich Gebhard hergestellten Wachsmodelle bestanden aus Bienenwachs und waren innen hohl. Die Oberfläche wurde naturgetreu mit lasierenden Farben bemalt. Die Wachsmodelle sollten helfen, Obstsorten zu unterscheiden und weiterzuempfehlen.
Das Pomologische Kabinett des Naturkundemuseums Bamberg verfügt über eine Sammlung von 193 Wachsmodellen, die aus dem Weimarer Landes-Industrie-Comptoir stammen: 71 Birnen, 66 Äpfel, 24 Pflaumen und Zwetschgen, 23 Kirschen, 6 Pfirsiche und 3 Aprikosen. Die Modelle besitzen kulturhistorischen Wert und werden bis heute zur Bestimmung in Vergessenheit geratener Sorten herangezogen. Sie tragen solch fantasievolle Namen wie Schweizerhose, Paradiesbirn, Rotes Seidenhemdchen, Venusbrust oder Frauenschenkel … (2) Weitere Wachsfrüchte aus Bertuchs Produktion präsentieren das Museum der Natur Gotha sowie die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. Die Mehrzahl wird im Stadtmuseum Weimar aufbewahrt, dem einstigen Stammsitz von Bertuchs Landes-Industrie Comptoir.
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Textquellen:
(1) Schneider, Angelika: Ein Beförderer der Gartenkunst. Brief Carl Augusts an Karl Ludwig von Knebel am 27.07.1780 in: Friedrich Justin Bertuch: Verleger, Schriftsteller und Unternehmer im klassischen Weimar, Kaiser, Gerhard G.; Seifert, Siegfried (Hrsg.), Max Niemeyer Verlag, 2000, S. 631 f.
(2) Mäuser, Matthias: Das Pomologische Kabinett von F. J. Bertuch aus Weimar im Naturkunde-Museum Bamberg, LXXII. Bericht Naturforschenden Gesellschaft Bamberg e. V., 1997, S. 49-78.
Bildquellen:
Vorschaubild: Porträt Friedrich Justin Bertuchs (1796), Urheber: Johann Friedrich August Tischbein via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Georg Melchior M. Kraus, An der Klause (Louisenkloster) im Weimarer Park In: H. Wahl, A. Kippenberg: Goethe und seine Welt, Insel-Verlag, Leipzig 1932, S.148 via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Blick in das Pomologische Kabinett des Naturkundemuseums Bamberg, Foto: Haupt, 2023.