Getreu dem Motto „Man ist so alt wie man sich fühlt“ legt Fallersleben in seinem Gedicht sein Geheimnis des Jungbleibens im Herzen dar. Mit Hilfe der Liebe, die er in seinem Herzen trägt, ist es ihm möglich, sein Alter zu vergessen – als der Gedichtband „Lieder aus Weimar“ erschien war er gerade 60 Jahre alt – und noch „ein Jüngling (…) als Mann“ zu bleiben. Der gefühlsbetonte deutsche Dichter hat seine Herzensjugend unter anderem immer wieder in seinen Gedichten und Liedern für Kinder bewiesen. Die Liebe selbst, die ihn jung hält, findet sich immer wieder in seinen Werken. Vier Jahre nach Erscheinen des Gedichtbandes stirbt unglücklicherweise seine 29-jährige Ehefrau im Kindbett. Von den vier Kindern, die Hoffmann von Fallersleben mit ihr hatte, überlebte nur der Sohn, welcher 1855 in Weimar geboren wurde. Trotz dieser Schicksalsschläge strömen seine Gedichte, so auch das vorliegende, oft einen gewissen Frohsinn und eine unermüdliche Zuversicht aus.
Carolin Eberhardt
Dem Abend näher als dem Morgen
Seh‘ ich die Welt mir heiter an.
Mir macht das Alter keine Sorgen,
weil ich noch jung sein will und kann.
Wer wird sich denn an Zeit wohl binden,
wenn Lieb‘ ihm ganz das Herz durchglüht?
Er sucht die Ros‘ und wird sie finden,
und wenn sie auch im Herbste blüht.
Das Alter wohnet nur im Herzen,
und wer’s daraus vertreiben kann,
der bleibet jung bei Freud‘ und Schmerzen
und ist ein Jüngling noch als Mann.
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Gedicht entnommen aus: Fallersleben, August Heinrich Hoffmann von: Lieder aus Weimar, 1856, Hannover: Carl Rümpler, 1856, S. 73.
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