Die Straße steigt weiter sanft an und führt uns schließlich, nachdem wir die B85 „Am Herrenrödchen" mit der nötigen Vorsicht überquert haben, in den Rödchenweg, einen Feldweg, der zum Naturschutzzentrum Weimar/Thüringen e. V. führt. Wir sind jetzt eine halbe Stunde unterwegs und fast nur bergan gefahren. Unser Ziel, „Herders Ruh", liegt links vor uns. Bevor wir uns wie ehemals Herder hier weit außerhalb der Stadtgrenzen niedersetzen, lernen wir etwas über diese interessante Gegend. Eine gute Quelle ist das Lexikon zur Weimarer Stadtgeschichte von Günter, Huschke und Steiner. Hier lesen wir, woher der Rödchenweg seinen Namen hat.
Das Rödchen oder Bürgerrödchen ist ein „am Südhang des Ettersbergs, zwischen Ettersburger und Buttelstedter Straße am oberen Ende des Dürren Bachs gelegenes Laubwäldchen. Um 1323 wurde hier die Ortschaft Kleinroda erwähnt, die in der Folgezeit verödete und zur Wüstung wurde. Die Besitzer der Flur, Bürger der nahen Stadt Weimar, hielten hier bis Mitte des 19. Jahrhunderts ihr jährliches „Hegemahl" ab. Im Jahre 1802 wurde im Rödchen ein Gasthaus gleichen Namens errichtet. Es wurde für viele Generationen Weimarer Bürger ein beliebtes Ausflugsziel. Von der einstigen Idylle ist nicht mehr viel vorhanden. Das Gasthaus existierte bis nach dem Zweiten Weltkrieg, heute sind nur noch die Grundmauern zu finden."
Johann Gottfried von Herder starb im Jahre 1803, nachdem er schon länger krank war und in den Bädern von Aachen und am Egerbrunnen Linderung suchte. Es ist nicht anzunehmen, dass er die erwähnte Gaststätte noch aufsuchen konnte. Auf jeden Fall aber wissen wir, dass man den Ort, wo sich jetzt „Herders Ruh" befindet, auf guten Wegen erreichen konnte.
„Herders Ruh", erbaut von Freunden Herders im Jahre 1850 und dann verfallen, wurde im Jahre 1994 durch das Christliche Jugenddorfwerk wiederaufgebaut. Die Tafel an der als Rückenlehne gedachten halbrunden Steinmauer enthält die Inschrift
Wir brauchen nicht viel Einbildungskraft, um uns vorzustellen, welchen Weg eine solche Information über Dienstmädchen, Kaufleute und gute Nachbarn genommen hat, bis sie schließlich zu Schiller gelangte, der nun seinerseits für weitere Verbreitung sorgte.
Nun stellen wir uns vor, dass dieser Klatsch am Ende Herdern zu Ohren kam und er sich erschöpft und Ruhe suchend an den Platz begab, an dem wir uns jetzt auch niederlassen. Auf der Steinsäule vor uns ist genügend Platz für unser mitgebrachtes Essen und Trinken.
Wir genießen den Blick auf Weimar, das sich talwärts in der Morgensonne vor uns ausbreitet und freuen uns über die Menschlichkeit der Großen, die in der Stadt gelebt haben und über die Menschlichkeit unserer Zeitgenossen, die unser Weimar heute zu einer so liebenswerten Stadt machen.
Die Steinbank, stellen wir ganz prosaisch fest, bedarf der Reparatur. Zurück in die Stadt rollen unsere Räder mühelos von selbst. Herder hatte wahrscheinlich größere Mühe, zurück nach Hause und in die Arme seiner Karoline zu gelangen.
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Fotos: Christoph Werner