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Ein Buch, das zu Herzen geht

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15 Jahre in Weimar: Erlebtes und Erlittenes

15 Jahre in Weimar: Erlebtes und Erlittenes

Carolin Eberhardt

Ein Eindruck des Weimars im 19. Jahrhundert

Heinrich Grans, welcher am Weimarer Hoftheater tätig war, in seiner Funktion später als Oberregisseur der Stadttheater zu Leipzig und Breslau tätig, verfasste über seinen 15-jährigen Aufenthalt in Weimar ein Memorandum. In der Publikation „15 Jahre in Weimar: Erlebtes und Erlittenes“, welche 1889 in einem Leipziger Verlag erschien, vermittelt er dem Leser seine Eindrücke und Erlebnisse in der Klassikerstadt.

Im Mai 1852 hatte der Schauspieler seinen ersten Auftritt als Herzog Alfred am Weimarer Hoftheater. Da er zuvor bereits in den großen und belebten Städten Deutschlands sowie in Prag, tätig war, wirken seine ersten geschilderten Eindrücke an dieser Stelle für einen gebürtigen Weimarer etwas ernüchternd und es wirft unweigerlich die Frage auf, ob seine Eindrücke nicht auch in mancherlei Hinsicht in der heutigen Zeit zutreffend sind.

Diesbezüglich berichtet Grans:

„Gewöhnt an das bisherige frische, freie Leben in Prag, wo ich fünf Jahre gewirkt, und eben noch von dem drängenden Treiben zweier Großstädte erfüllt, erschien mir hier alles so ernst, so still und feierlich. – Vom Portier an, der den Bühneneingang fast militärisch streng bewachte und ängstlich darauf sah, daß jeder Eintretende sofort die Kopfbedeckung abnahm, bis zu den Mitgliedern und dem Regisseur hinauf, der neben dem Souffleurkasten bei einer grünen Schirmlampe behaglich thronte, herrschte vornehmes Schweigen. Der Intendant war unwohl und erschien nur einen Augenblick in seiner Loge.“

Das Spiel am Hoftheater erschien ihm sehr ruhig im Vergleich zu seinen bisherigen Erfahrungen an anderen Theatern. Die beschriebenen Verhaltensmuster der Theatermitarbeiter müssen auf den weltoffenen Schauspieler Grans in der Tat sehr weltfremd und ungewöhnlich gewirkt haben. Seine erste Besichtigung der Weimarer Sehenswürdigkeiten hingegen genoss Grans wohl außerordentlich. Allerdings moniert er, dass das Goethehaus für Besucher zu diesem Zeitpunkt wohl geschlossen gewesen wäre und nennt für diese Begebenheit auch gleich die Ursache:

„Man erzählte mir, daß diese Anordnung von seiten der Goetheschen Erben getroffen worden sei, und zwar durch folgenden Vorfall: Frau Ottilie von Goethe und deren Schwester, Fräulein von Pogwisch, befanden sich incognito im Speisezimmer eines Wiener Hotels, als mehrere anwesende Touristen über Weimar sprachen und sich scharf und bitter darüber ausließen, daß man das Goethehaus nur besichtigen könne, wenn man ein Entree zahle, wie in einer Schaubude, und außerdem die Dienerschaft noch extra für kleine Aufmerksamkeiten mit Trinkgeldern regaliere.“

Erst Großherzog Karl Alexander veranlasste die Umgestaltung des Goethehauses in ein Nationalmuseum und ermöglichte somit Touristen und Einwohnern gleichermaßen wieder den öffentlichen Zugang in das Haus des Dichterfürsten.

Verwundert war Grans auf dem Weg zu seinem Hotel am Nachmittag darüber, dass ihm lediglich sechs Menschen in der Innenstadt über den Weg liefen.  Seine Befürchtung, das Theater wäre am Abend zu seiner Vorstellung ebenso leer anzutreffen, bestätigte sich allerdings nicht. Nicht nur fand der Schauspieler beim Betreten der Bühne das Theatergebäude durch ein zahlreiches Publikum besetzt, sondern auch der Großherzog Karl Friedrich saß vor ihm in der mittleren Loge, um dem Schauspiel beizuwohnen.

Grans Ausführungen folgend verwundert es den Leser nicht, dass er das Leben in Weimar doch nicht ganz ohne einen Anflug von liebevoller Art als „Weimarisches Stillleben“ bezeichnet. Diese Eigenart der Bewohner spiegelte sich auch in seiner zweiten Vorstellung wider. Denn während der gesamten Aufführung saß das Publikum still und ohne jegliche Beifallsbekundungen und wartete auch nach Ende der Vorstellung darauf, das Großherzog Karl Friedrich einen Applaus spendete, bevor auch die übrigen Zuschauer ihren Beifall bekundeten. Die Uhren schienen im Weimar dieser Zeit eben einer eigenen Geschwindigkeit zu folgen. Besonders überrascht war Grans, als er einmal den ersten Tenor der Hofbühne, Dr. Liebert, aufsuchte, und diesen dabei antraf, wie er eines seiner Schweine fütterte. Als Begründung für dessen Tätigkeit und als Reaktion auf das verblüffte Gesicht Grans erwiderte der Tenor: „Das werden Sie auch noch thun. Das ist das einzige Mittel, um hier nicht vor Langeweile umzukommen.“

Schauspielerisch war Grans gut gefordert, bot ihm doch Herr von Ziegsar, der am 21.Juni die Intendanz übernommen hatte, stetig neue Rollen an. Der Autor muss sich auch im Nachgang eingestehen, „daß sich hier, an dieser geweihten Stätte, die interessanteste und jedenfalls anregendste Epoche (seines) Künstlerlebens abwickeln würde.“ Bereits nach kurzer Zeit seines Aufenthalts stellte Grans fest, dass er sich, trotz seines ersten Eindruckes, schnell in Weimar einlebte und sogar in Erwägung zog, die Stadt als seine zweite Heimat anzusehen. Insbesondere veranlassten „die Auszeichnungen und Gnadenbeweise des großherzoglichen Hofes sowie die gastliche Aufnahme seiner Einwohner“ ihn zu dieser Einsicht.

 

*****

Auszüge entnommen aus: 

Grans: Heinrich: Fünfzehn Jahre in Weimar: Erlebtes und Erlittenes, Leipzig: Verlag und Druck von Otto Spamer, 1889.

Vorschaubild:

Heinrich Grans, Urheber: Eulenstein, Leipzig, Inventarnummer FS_PV262432alt; Herausgeber: KHM-Museumsverband; gefunden auf >http://kulturpool.bmb.gv.at/plugins/kulturpool/showitem.action?itemId=283468657006&kupoContext=default< CC BY-NC-SA 4.0.

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