Weimar-Lese

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Horst Nalewski
Goethe hat ihn bewundert.

Goethes Begegnungen mit Felix Mendelssohn Bartholdy.

Der Musikkenner und international geachtete Literaturwissenschaftler Horst Nalewski erzählt anhand fünf ausgewählter Beispiele von dem außergewöhnlichen Aufeinandertreffen und Zusammenwirken zweier Künstler. Eine CD mit den Musikstücken liegt diesem Büchlein bei.
Erschienen 2011 im Bertuch Verlag.

Landgut Holzdorf

Landgut Holzdorf

Tiffany Tabbert

Sicht auf das Herrenhaus vom Park
Sicht auf das Herrenhaus vom Park

Südlich von Weimar, umgeben von kleinen Bergen und deshalb mit dem Fahrrad schwer zu erreichen, liegt das kleine Dörfchen Holzdorf. Wie so viele Gemeinden in Thüringen beherbergt auch Holzdorf ein Land- bzw. Rittergut mit einem vierseitig umbauten Gutshof. Die erste Erwähnung fand bereits im 14. Jahrhundert statt, damals noch unter dem Namen Halsdorf. Die eigentlich spannende Geschichte beginnt allerdings erst um 1920. Zwischenzeitlich betrieb man auf dem Gut Schafzucht oder bewirtschaftete es gar nicht. Das Herrenhaus wurde zwischen 1690 und 1750 erbaut und ist teilweise heute noch gut erhalten. Bis 1874 war das Gut im Besitz der Familie Weitzenberg, die als direkte Nachfahren des Malers Lucas Cranach gelten. Der nahe Bezug zur Kunst sollte sich im 20. Jahrhundert fortführen.

Atrium
Atrium

Denn 1917 erwarb unerwartet Dr. Otto Krebs das Gut. Unerwartet, weil Krebs bis Dato weder mit Holzdorf noch mit Weimar je in Kontakt gekommen war. Der 1873 in Wiesbaden geborene Fabrikant und Kunstsammler wollte wahrscheinlich zwischen Wiesbaden und seinem Geschäftssitz in Berlin bzw. seinen Produktionsstätten in Polen und Schweden einen Rückzugsort schaffen, der gleichzeitig auch für seine Geschäftstreffen herhalten konnte. In den folgenden Jahren ließ Krebs das alte Herrenhaus zu einem repräsentativen Herrensitz umbauen, das er 1930 mit seiner Lebensgefährtin und international bekannten Pianistin Frieda Kwast-Hodapp bezog (zwischenzeitlich bot das Gut dem Komponisten und bekennenden Gegner des Nationalsozialismus Adolf Busch Zuflucht). Otto Krebs ließ vom Heidelberger Gartenarchitekten Franz Wirtz eine völlig neue Parkanlage im französischen Stil anlegen. Im Erdgeschoss des Hauses wurde an den Decken Stuck angebracht, in einem der Zimmer eine Ledertapete, im Gobelinzimmer zeigen die textilen Wandtapeten Szenen von Achill und Dido aus der Mythologie und im Musikzimmer wird Krebs Liebe zur Romantik durch florale Elemente mit Girlanden und Zöpfen deutlich.

Gobelinzimmer
Gobelinzimmer
So prunkvoll das Herrenhaus einst glänzte, so prunkvoll muss auch die Krebs'sche Kunstsammlung gewesen sein. Sie gehörte zu einer der umfangreichsten privaten Sammlungen ihrer Zeit und beinhaltete, entgegen den Erwartungen, ca. einhundert Gemälde und zwanzig Skulpturen von französischen und deutschen Impressionisten und Neoimpressionisten. Neben Blumenbilder von Gustave Courbet und Auguste Renoir war Krebs auch im Besitz von Fraunenportraitierungen der Künstler Edouard Manet, Renoir, van Gogh, Pablo Picasso und Gauguin, Landschaftsbildnissen von Claude Monet, Renoir, Cézanne, Alfred Sisley, Camille Pissarro, Paul Signac und vor allem Vincent van Gogh. Die Kunstgemälde wurden in wechselnder Konstellation im Herrenhaus, auch in den privaten Räumen, aufgehängt (jene Bilder die nicht an den Wänden hingen wurden im Keller in einem extra eingerichteten belüfteten Tresor mit schwerer Stahltür gelagert). Skulpturen von Rodin, Degas, Maillol, Meunier und Josef Heise stellte man zeitweise im Park auf. Von Kunsthistorikern wurde der Wert der Sammlung auf knapp eine halbe Milliarde Mark geschätzt. Doch die Sammlung existiert in dieser Form nicht mehr!
Wasserbassin
Wasserbassin

Dr. Otto Krebs verstarb im März 1941 an der gleichnamigen Krankheit. Erbin des Landguts wurde Frieda Kwast-Hodapp, die auch nach Krebs Tod in Holzdorf, im eigens eingerichteten Musikzimmer, Konzerte gab. Die Sammlung verblieb im Tresor, denn unter den Nationalsozialisten galt sie als gefährlich (Goebbels veranlasste eine Ausstellung „Entartete Kunst" in der konfiszierte Gemälde ausgestellt wurden umso den Begriff der Modernen Kunst zu verunglimpfen und nach seinem Gusto zu gestalten). Auch das von Weimar ausgelagerte Max-Reger-Archiv befand sich zu dieser Zeit in Holzdorf. Es sollte hier den Krieg unbeschadet überstehen.

Blick auf die Parkanlage
Blick auf die Parkanlage

Im April 1945 kamen die Amerikanischen Besetzer nach Thüringen und bezogen im Gutshof Quartier. Museumsdirektor Scheidig fand bei der Rückführung des Reger-Archives zwischen April und Juli 1945 ein Fotoalbum mit Abbildungen der Kunstsammlung. Im Gegensatz zum Direktor wussten die Amerikaner von der wertvollen Kunstsammlung. Als sie aber im Juli abzogen war der Tresor verschlossen. Nur 16 Fotos aus dem Album und die Inventarlisten in Holzdorf blieben verschollen. Unter der Sowjetischen Besetzung im Zuge der Bodenreform fiel das Gut der Öffentlichkeit zu.

Steingarten
Steingarten

Scheidig sah darin die Chance den Gemäldeschatz zu bergen. Er schrieb an den Präsidenten des Landes Thüringen: „Wir erlauben uns die ergebene Bitte vorzutragen, der Herr Präsident möge versuchen, von Herrn Generalmajor Kolesnischenko die Erlaubnis zu erwirken, daß die Gemäldesammlung aus dem Herrenhaus in Holzdorf entnommen werden kann und einstweilig im Schloßmuseum in Weimar sichergestellt werden darf." Doch der Tresor ließ sich nicht öffnen. Als dann eine Berliner Spezialfirma beauftragt wurde, verbot der Marschall plötzlich die Arbeiten. 1952 wurde das Gebäude erneut freigegeben. Doch der Tresor stand bereits offen. Die Arbeiter erklärten, die Gemälde seien bereits bei der Räumung von den Sowjets abtransportiert worden. Und der Krimi zog sich weiter, denn Scheidig ließ nicht locker. Eine vom damaligen Hausmeister angefertigte Inventarliste verzeichnete 98 Bilder und 18 Plastiken. Der Museumsdirektor ließ die Gemälde sogar zur Fahndung ausschreiben. Nach dem Tod Scheidigs entfernte die Stasi die Krebs-Akten aus dem Weimarer Staatsarchiv und übergab diese dem DDR-Innenministerium, um Nachforschungen zu unterbinden.

2. Stock des Herrenhauses, unrestaurierter Flur
2. Stock des Herrenhauses, unrestaurierter Flur

50 Jahre nach Otto Krebs Tod tauchte zuerst das Fotoalbum auf. Zwei ukrainische Kunstforscher veröffentlichten dann eine Liste mit Bildern aus der Eremitage auf der unter „Keps, Weimar" 78 Bilder verzeichnet waren. 1995 präsentierte die Eremitage im Zuge ihrer Ausstellung „Verschollene Meisterwerke deutscher Privatsammlungen" die fast vollständige verschollen geglaubte Sammlung aus Holzdorf.

Nach der sowjetischen Besetzung waren zeitweise ein Kinderheim und eine Schule im Gutshaus beherbergt.
Heute gehört das das Landgut der Diakonie, die es nach und nach restauriert. Die untere Etage kann für Feste und Tagungen gemietet werden, in der ersten Etage befinden sich unter anderem kleine Büroräume und die oberen Stockwerke sind nur teilweise restauriert. Der Park ist heute noch gut erhalten und einen Besuch wert.

Der Park ist heute noch gut erhalten und einen Besuch wert, ebenso wie die Galerie, die immer am ersten Sonntag im Monat geöffnet ist. Dorf findet der interessierte Besucher 20 von Professorin Tatjana Pozelujeva und deren Studenten angefertigte Repliken der Krebs‘schen Sammlung, darunter Bilder von Cézanne, van Gogh und Renoir.

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Fotos: Tiffany Tabbert

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Otto-Krebs-Weg 5
99438 Weimar-Holzdorf

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