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Das Torhaus

Helga Dreher

Eine mysteriöse Erbschaft mit Folgen...

Roman 2010, 430 Seiten

Das Torhaus von Coudray

Das Torhaus von Coudray

Helga Dreher

Endhaltestelle der Berkaer Bahn am Erfurter Tor, Pastor Wend begrüßt einen Hofbeamten (Stadtarchiv Weimar)
Endhaltestelle der Berkaer Bahn am Erfurter Tor, Pastor Wend begrüßt einen Hofbeamten (Stadtarchiv Weimar)

Es mag mehr als einhundert Jahre zurückliegen, als Pastor Wend an der Einmündung der Erfurter Straße in den Sophienstiftsplatz einen Hofbeamten begrüßte. Ob der Pastor verreisen wollte, ob der Hofbeamte gerade von einer Reise zurückgekehrt war - wer weiß das heute noch? Was aber hinter den beiden Herren fauchte und dampfte, war unzweifelhaft eine Lokomotive. Eine Lokomotive mit dazugehörigen Eisenbahnwagen, die Türen geöffnet, Passagiere im Einsteigen begriffen.

Am Sophienstiftsplatz, rufen Sie ungläubig? Eingangs der Erfurter Straße, fragen Sie? Ein Zug? Ja, ein Zug. Er hatte vor einem kleinen klassizistischen Gebäude neben dem Schwarzburger Hof gehalten. ‚Erfurter Thor' konnte man auf einem Schild über dem Eingang lesen. Und welch ein Eingang! Zwei imposante Säulen begrenzten die halbrunde Eingangshalle, obwohl die beiden Fenster links und rechts davon vermuten ließen, dass das kleine Haus aus nur zwei Räumen bestand. Ah, nein, schauen Sie, darüber, die Maße der Säulenhalle aufgreifend, war noch ein kleiner Überbau aufgesetzt, mit hübschem halbrunden Sprossenfenster, einer Helmzier und zwei Wappen.

Januar 2010: Das Torhaus wird saniert (Helga Dreher)
Januar 2010: Das Torhaus wird saniert (Helga Dreher)

Weshalb ich Sie an diese längst vergangenen Tage erinnere? Nun, die Zeiten haben sich gründlich geändert, und längst fährt kein Zug mehr bis zum Weimarer Sophienstiftsplatz. Aber das kleine Haus steht noch immer eingangs der Erfurter Straße neben dem Schwarzburger Hof, und dieser Tage schauen die Menschen erstaunt und voller Freude darauf, wenn sie gegenüber an der Ampel auf Grün warten oder vom Busbahnhof in Richtung Stadt gehen. Bedeckten nicht vor kurzem noch hässliche, schwarzsilberne Schmierereien die Wände, bröckelte nicht der Putz an vielen Stellen und starrten nicht schmutzblinde Fenster die Passanten an? Nichts mehr von alledem. Eine sauber sanierte Fassade strahlt in hellem, kreidigem Rosa - klassischer Farbton, weiß ein mitwartender Passant an der Ampel. Neue Sprossenfenster sind zu sehen, auch in der kleinen Eingangshalle, die vorher fensterlos war. Doch unser Blick schweift unwillkürlich über die Säulen hinweg nach oben. Dort wurde die Helmzier restauriert, und - sehen Sie nur - auch die beiden Wappen sind wieder angebracht! Herr Großherzoglicher Oberbaudirektor Clemens Wenzeslaus Coudray hätte seine Freude daran, denn er war es, der das Gebäude als ‚Thor- und Wachhaus an der Erfurter Chaussee' entworfen hatte und 1822-24 erbauen ließ. Vorher, ab Mitte des 18. Jahrhunderts, war die ursprüngliche Stadtbefestigung mit den vier Stadttoren - Erfurter Tor, Jakobstor, Kegeltor und Frauentor - abgerissen worden. Nun wurden am neuen Torhaus die Tor- und Pflastergelder vom aus westlicher Richtung ankommenden Verkehr kassiert.

Das Torhaus (Stadtarchiv Weimar)
Das Torhaus (Stadtarchiv Weimar)

Aber die Eisenbahn, fragen Sie? Sie kam später, und als ab 1887 die Züge der Berkaer Bahn bis zum Sophienstiftsplatz, also fast ins Weimarer Stadtzentrum, fuhren, wurde aus dem Torhaus das Stationsgebäude ‚Erfurter Thor'. 1908 wurde das Haus an den Gemeindevorstand Weimar verkauft, der später darin das II. Polizeirevier unterbrachte. Zwischenzeitlich als Wohnhaus vermietet, wurde das Gebäude ab 1988 als Jugendtourist-Reisebüro genutzt. Den vorangehenden Renovierungsarbeiten war offensichtlich das kleine halbrunde Gärtchen an der Ostseite zum Opfer gefallen, das jetzt wieder ersteht.

Unterschiedliche Nutzungen nach der Wende, unter anderem durch das Theaterhaus Weimar oder durch Studenten hielten den Verfall nicht auf. Ein Investor und sein Weimarer Architekt sind mit großer Sorgfalt und, ja, Liebe zu diesem Kleinod daran gegangen, der Stadt und ihren Besuchern ein wunderschönes Stück Architektur des goldenen Weimarer Zeitalters zu erhalten.

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Zum Weiterlesen: „Das Torhaus" - ein spannender Weimar-Roman!

Zu Coudrays Torhaus entwickelt sich in Helga Drehers Roman eine besondere Geschichte. Sie schildert die (fiktionale) Sanierung des Gebäudes.

Lernen Sie Alma kennen, die eine mysteriöse Erbschaft - eben das Torhaus - macht und beschließt, in Weimar zu leben. Begegnen Sie mit ihr zusammen Menschen, die Probleme als Herausforderung sehen, die sich vom Leben nicht unterkriegen lassen und die Ihnen ans Herz wachsen werden.

Helga Dreher: Das Torhaus. Roman; Weimar; Bertuch Verlag GmbH 2010

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Mehr zum Torhaus - dem Roman und dem oben Beschriebenen in Weimar - finden Sie auch auf der Homepage der Autorin: http://www.helgadreher.de

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Erfurter Straße 1
99423 Weimar

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