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Weihnachten bei Familie Luther

Christoph Werner

Luthers jüngster Sohn erzählt vom Christfest

Paul Luther, der jüngste Spross der Lutherfamilie, gewährt dem Leser Einblick in sein Leben und das seiner Familie.
Er berichtet von seiner Kindheit in Wittenberg und der Krankheit seines Vaters, von seiner Verwicklung, die ihm als Leibarzt widerfuhren, und von den Intrigen am Gothaer Hof. Reichlich illustriert öffnen sie dem Leser die Tür zur Weihnachtsstube der Familie Luther.

Das löschpapierne Prinzchen

Das löschpapierne Prinzchen

Carolin Eberhardt

Eine der bekanntesten Spukgeschichten des Weimarer Sagenschatzes ist wohl die des löschpapiernen Prinzchens. Dahinter verbirgt sich eine Geistererscheinung des Herzogs Johann Friedrich VI., welcher nach einem politischen Streit mit seinem Bruder, Johann Ernst d. J., 1625 in das Kornhaus des Franziskanerklosters inhaftiert wurde und ebendort 1628 verstarb. Am 16.Oktober 1628 soll der inhaftierte Herzog ein schriftliches Geständnis über einen Pakt mit dem Teufel abgelegt haben. Einen Tag später schon, am 17. Oktober, wurde er tot in seiner Zelle aufgefunden. Das plötzliche Ableben führte in der Bevölkerung zu Spekulationen bezüglich eines Suizids oder gar eines Auftragsmordes. Doch auch nach heutigem Forschungsstand kann weder das eine noch das andere belegt werden. Der Geist des auf mysteriöse Art Verschiedenen soll aber immer noch sein Unwesen treiben.

Carolin Eberhardt.

Die Weimarer Sage berichtet, dass der rastlose Geist des Herzogs Johann Friedrich VI. des Nachts das Kornhaus des Franziskanerklosters heimsucht. Auch hinter den Mauern des angrenzenden Gerichtsgebäudes, welches einst zum Kloster gehörte, sowie in dem Wittumspalais trieb die Geistererscheinung in alten Zeiten ihr Unwesen. Mal erschien der Geist in der Gestalt eines kleinen weißen Vogels, welcher über den Dächern der betreffenden Gebäude umherflatterte. In den meisten Fällen allerdings wurde der Geist in Form eines kopflosen Männchens gesehen, welches in Farbe und Dünne des grauen Löschpapiers ähnelte. Daher etablierte sich im Volksmund der Name „das löschpapierne Prinzchen“.

Zu einer Zeit, in der das Gerichtsgebäude noch in Privatbesitz war und an verschiedene Bewohner vermietet wurde, konnte es dort  wegen des nächtlichen Spuks keiner der Mieter lange aushalten. Eine adelige Dame zog endlich nach mehreren schlaflosen Nächten aus ihren Mieträumen aus. Für gewöhnlich äußerte sich der Spuk zunächst durch starkes Poltern, hinzu kamen Türenschlagen und andere geräuschvolle Ereignisse. Zuweilen trug es sich zu, dass das Prinzchen die Schlafenden aus ihren Betten warf. Die Heimgesuchten beschrieben später, dass das Spuktreiben sich in allen Teilen des Zimmers gleichzeitig zu ereignen schien. Auch vor verschlossenen Türen machte der Geist nicht halt. Des Öfteren probten die Mieter den Versuch, des Nachts zu wachen und die Ankunft des Spukwesens bei Licht zu erwarten. Diese kamen von ihrem Vorhaben schnell wieder ab, denn zu einer bestimmten Zeit, meist gegen Mitternacht, erschien das Prinzchen plötzlich in der Mitte des Zimmers und verteilte heftige Schläage an die Anwesenden.

Im Jahr 1806 ereignete es sich, dass ein Hauptmann, welcher in das Gebäude eingezogen war und die Spukgeschichten nicht glauben wollte, durch den Geist schon kurz nach seinem Einzug Tag und Nacht geplagt wurde. Diesmal erschien die Gestalt eines gelbgrauen Männchens. Nach diesem Vorkommnis erwartete nun der Hauptmann bewaffnet und in Gesellschaft einiger Kameraden den Geist in seinem Zimmer. Genau um Mitternacht erschien der Prinz mitten unter ihnen und begann, die Stühle umherzuwerfen. Erzürnt hieben die Krieger mit ihren Waffen nach der Erscheinung, wobei es sich anhörte, als ob ein Messer durch Papier schnitt und es den Anschein hatte, als wenn die Hiebe die Gestalt spalteten. Doch war ihr engagiertes Handeln nicht von Erfolg gekrönt, denn der Geist blieb unversehrt, vielmehr wurden durch die Hiebe die Angreifer unerklärlicherweise selbst verletzt. Die auf dem Tisch liegenden Waffen der Soldaten drehte der Prinz in die Richtung ihrer Eigentümer und schlug, puffte und knuffte die Angreifer immer wieder. Letztlich, überzeugt von den sich bewahrheitenden Spukgeschichten, gab der Hauptmann die Wohnräume schleunigst auf und suchte das Weite.

In und um das Wittumspalais zeigte sich der Geist unter Aufseufzen und knisternden Geräuschen als eine kleine graue Gestalt mit nebelhaften Umrissen und traurigen Augen, während es sich auf einen Stuhl kauerte. Eines Tages erschien das Wesen der Tochter eines Dieners im Hof, woraufhin das Mädchen verstört in das Haus rannte. Ein anderes Mal vernahm die Hausmeisterin in ihrem kleinen Gebäude nebenan in der Nacht das Geräusch von rauschendem Wasser, klinkenden Türen sowie hallenden Seufzern. An einem Abend, an welchem sie sich ihrem Hause näherte, fand sie ihre Wohnung hell erleuchtet vor, obwohl niemand Zuhause war. Vorsichtig und verängstigt öffnete die Frau die Tür, woraufhin sofort etwas Unbeschreibliches an ihr vorüber strich. Das Haus aber war nach diesem Vorfall abrupt wieder unbeleuchtet.

Es wird berichtet, dass Kanzler Schmid und seine Gattin, welche zeitweilig auch eines der Spukgebäude bewohnt haben, auch von dem Geist heimgesucht worden seien. In ihrem Schlafzimmer standen sich zwei einzelne Betten, getrennt durch einen Gang, an den Längsseiten der Wände gegenüber, an der Schmalseite befand sich ein Fenster, an der gegenüberliegenden Wand die Tür.  Mehrmals in der Nacht erschien nun in ebendiesem Zimmer das löschpapierne Prinzchen als eine graue Nebelgestalt, die lautlos vom Fenster zwischen den Betten dahinschwebte und an der Tür wieder verschwand. Um der Erscheinung ein Hindernis zu bereiten, beschlossen die Eheleute eines Nachts, sich aus den Betten die Hände zu reichen. Die Gestalt erschien wie auch in den Nächten zuvor, ging aber still und anstandslos über das ihm bereitete Hindernis hinweg.

 

*****

Textquelle:

Nacherzählt in Anlehnung an: Mitzschke, Ellen und Paul: Sagenschatz der Stadt Weimar und ihrer Umgegend, Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1904; mündlich überliefert: Lebenserinnerungen der Baronin Henriette von Beaulieu.

 

Bildquelle:

Vorschaubild: „Das Witthums-Palais in Weimar. Nach einer Photographie.“, 1883, Quelle: Die Gartenlaube via Wikimedia Commons  gemeinfrei.

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