Weimar
Glücklich Weimar! – Von den Städten allen
Bist du, kleine, wunderbar bedacht;
Man wird stets zu deinen Toren wallen,
Angezogen von der heil’gen Macht;
Und man wird nach großen Männern fragen,
Die in schönen Zeiten hier gestrebt,
Und mit edlem Neid wird man beklagen,
Daß man mit den Edlen nicht gelebt.
aus: J. P. Eckermann, Gedichte, Leipzig 1938.
Johann Peter Eckermann wurde am 21. September 1792 in Winsen an der Luhe (Niedersachsen) geboren. Der Sohn eines Krämers und Hausierers konnte die Schule zunächst nur unregelmäßig besuchen. Als Jugendlicher kam er in den Genuss von Privatunterricht, „lernte Französisch, etwas Latein und Musik“ und fand Interesse am Zeichnen. Es folgten Anstellungen in den Amtsstuben von Winsen, Lüneburg und Uelzen, schließlich als Magistratsschreiber in Bevensen. Der junge Eckermann zog 1813/14 als Freiwilliger gegen Napoleon, bis 1821 verdiente er sein Brot bei der Militärkleidungskommission von Hannover. Um Künstler zu werden, nahm er Zeichenunterricht, las Winckelmann und Mengs – doch zum Verständnis fehlte die Anschauung. Inspiration bot die Lyrik von Theodor Körner. 24-jährig verfasste Eckermann eigene Gedichte. Er studierte Klopstock und Schiller – zu seinem Leitstern wurde Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832). Für etwas klassische Bildung drückte er neben dem täglichen Dienst die Schulbank im städtischen Gymnasium. 1821 erschien im Selbstverlag der erste Gedichtband. Stolz sandte er das Werk nach Weimar. Die an den Sekretär Theodor Kräuter adressierte Post enthielt eine Übersicht seines Bildungsganges sowie Glückwünsche zu Goethes 72. Geburtstag. Am 2. Oktober antwortete Seine Exzellenz mit einem allgemein gehaltenen Brief.
Zufrieden wandte sich Eckermann nach Göttingen. Weil Gönner ein sicheres „Brotstudium“ empfahlen, befasste er sich einige Semester mit Jura und Philologie, doch sein Wunsch war, sein Glück als freier Schriftsteller zu versuchen. Um sich „Luft zu machen und für die gute Sache etwas zu tun“, verließ er die Universitätsstadt. 30-jährig fand er ein Refugium in der nahe Hannover gelegenen Stadt Empelde. Dort entstanden die Beyträge zur Poesie mit besonderer Hinweisung auf Goethe. Am 24. Mai 1823 sandte er sein Manuskript nach Weimar, diesmal an den Professor Friedrich Wilhelm Riemer (1774–1845). Der für Goethe bestimmte Begleitbrief enthielt die Bitte um Weiterempfehlung an Johann Friedrich von Cotta (1764–1832). Goethe gestand dem befreundeten Verleger, dass er sich „umsehe nach jungen Männern, denen man die Redaktion von Papieren übertragen könnte“. Eckermann flößte ihm Zutrauen ein.
Am 2. Juni 1823 brach Eckermann selbst nach Weimar auf. Seine Verlobte Johanne („Hanchen“) Bertram (1801–1834) musste auf die Hochzeit warten. Der Ankömmling nahm Quartier im Alexanderhof (heute Grand Hotel Russischer Hof), am 10. Juni – Mittag zwölf Uhr – öffnete sich die Tür zum Haus am Frauenplan. Nachdem Goethe den jungen Mann einige Wochen auf die Probe gestellt hatte, bekannte er: „Ich muss es gerade heraus sagen, ich wünsche, daß Sie diesen Winter bei mir in Weimar bleiben.“ Ob ein Winter oder zwei – Eckermann willigte erfreut ein. Er wurde Goethes „geprüfter Haus- und Seelenfreund“, sein „treuer Haus- und Studienfreund“ (Goethe gegenüber J. J. Willemer ) – bereit, alles für „Goethen“ zu tun – ohne festen Lohn!
Am 1. Oktober bezog er eine Junggesellenbude im Obergeschoss des Hauses Brauhausgasse Nr. 13, nur wenige Schritte vom Frauenplan entfernt. Bald darauf erschienen seine Beyträge zur Poesie mit besonderer Hinweisung auf Goethe (1823). Sein eigenes poetisches Schaffen machte in Weimar kaum Fortschritte, obgleich der häufige Umgang mit Goethe seinen geistigen Horizont erweiterte. So nahm er sich vor, ihre Gespräche festzuhalten und später literarisch zu bearbeiten. Goethe verdankte er die Ehrendoktorwürde der Universität Jena (1825), aber sein täglich Brot verdiente Eckermann als Hauslehrer des Erbprinzen CarlAlexander (1818–1901). Der Prinzenerzieher Frédéric Jacob Soret (1795–1865) wurde sein Freund.
Im April 1830 begleitete Eckermann den Kammerherren August von Goethe (1789–1830), den Sohn des Dichterfürsten, nach Italien. Am 25. August erreichten sie Genua. War es eine Krankheit oder ein Zerwürfnis – Eckermann machte kehrt, der junge Goethe reiste allein weiter. Kurz nach seiner Ankunft in Rom erwischte ihn ein Fieber, in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober verstarb August von Goethe an „Schlagfluss“ (Hirnschlag). Sein Reisebegleiter kehrte am 23. November wohlbehalten nach Weimar zurück.
Obwohl Eckermann tiefe Zuneigung für die junge Schauspielerin Auguste Kladzig (1810–1875) empfand, heiratete er 1831 seine langjährige Verlobte Johanne Bertram. Beide bezogen eine Wohnung am Weimarer Theaterplatz Nr. 1 – dort, wo einst Johanna Schopenhauer (1766–1838) ihren Salon geführt hatte. Doch das Eheglück währte nur drei Jahre, kurz nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes verstarb Johanne. Es heißt, der Witwer kümmerte sich liebevoll um den kleinen Karl, nahm ihn mit auf Reisen und erfreute sich an dessen zeichnerischem Talent.
Am 28. März 1832 verstarb Goethe. Wie testamentarisch verfügt gab Eckermann dessen nachgelassene Werke heraus, darunter Dichtung und Wahrheit sowie Faust II. Beides hatte der betagte Dichterfürst nur dank seiner Hilfe vollenden können. 1836 erschienen die Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, gewidmet der Großherzogin Maria Pawlowna (1786–1859). Sie ernannte Eckermann zu ihrem Privatbibliothekar, im folgenden Jahr zum Großherzoglichen Hofrat. Dennoch war der Hofrat Doctor phil. Eckermann gezwungen, sich weiterhin als Privatlehrer verdingen. Ihn quälten Hunger, gesundheitliche Probleme und finanzielle Sorgen. 1842 bezog er mit seinem Sohn eine Wohnung im Eckhaus Breite Gasse/Kaufstraße. In der heutigen Marktstraße Nr. 2 befindet sich die Eckermann Buchhandlung.
Ab 1843 führte Eckermann einen aussichtslosen Prozess gegen den Leipziger Verleger F. A. Brockhaus. Ein Jahr später belasteten ihn die Schulden derart, dass er Weimar fluchtartig verließ. Erst 1846, nachdem der Hof finanzielle Unterstützung zugesagt hatte, kehrte er zurück. Eine 300 Taler umfassende Pension sowie Zuwendungen des preußischen Königs ermöglichten Erholungs- und Bildungsreisen. Seine Wohnung nahm Eckermann 1852 im Haus Markt Nr. 6, 1853 in der Brauhausstraße (heutige Steubenstraße 10). In Weimar, diesem „unendlich kleinen Rom“ (C. M. Wieland) wurde Goethes einstiger Vertrauter inzwischen als Sonderling belächelt. Man erzählte sich, in seiner Wohnung wimmele es von „behaarten und gefiederten Hausgenossen“, die teils in Käfigen untergebracht waren. Unter ihnen ein Marder, ein Wiedehopf sowie etliche Mäuse … Solch eine Menagerie passte nicht zu einer gelehrten Persönlichkeit! Am 3. Dezember 1854 verstarb Eckermann. Auf dem Historischen Friedhof, östlich der Fürstengruft, fand er sein Ehrengrab.
Quellen:
( 1 ) Decker, Jan: Eckermann oder die Geburt der Psychoanalye aus dem Geist Goethes. Theatermonolog in drei Bildern. Quartus Verlag Jena 2012
( 2 ) Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1984
( 3 ) Dr. Egon Freitag: Johann Peter Eckermann – Goethes geprüfter Haus- und Seelenfreund. Vortrag vom 1. November 2016 vor der Goethe Gesellschaft Erfurt e. V.
( 4 ) Hinkfoth, Helmuth: Johann Peter Eckermann. Heimat- und Museumverein Winsen (Luhe)
https://www.eckermann.weblit.de/lebensdaten.htm
Abbildungen:
( 1 ) J. J. Schmeller, Johann Peter Eckermann (um 1825)
( 2 ) Weimar, Brauhausgasse 13. Foto: Louis Held (1900)
( 3 ) Weimar, Marktstraße 2 ( c ) Eckermann Buchhandlung