Weimar-Lese

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Caroline von Heygendorf

Caroline von Heygendorf

Christoph Werner

Einer der stadthistorisch und architektonisch interessantesten Plätze Weimars, liebe Leserinnen und Leser, ist in meinen Augen der Herderplatz. Bevor im Jahre 1850 das Denkmal für Johann Gottfried von Herder aufgestellt wurde, hieß der Platz noch der Töpfenmarkt.

Heute interessiert uns das Haus Herderplatz 16, eines der herausragenden Renaissancegebäude der Stadt Weimar. Eine an der dreigeschossigen Fassade des Gebäudes angebrachte Tafel teilt uns Folgendes mit:

Dieses Haus gehörte von 1806 - 1848
Caroline von Heygendorf, geb. Jagemann
Sängerin und Schauspielerin am
Weimarer Hoftheater

Ich bitte Sie nun, dieser bemerkenswerten Frau Ihre Aufmerksamkeit zu schenken.

Das Haus von Caroline von Heygendorf Vielen Weimarbesuchern mag sie in erster Linie bekannt sein als die Geliebte des Herzogs, seit 1815 Großherzogs Carl August und auf Grund ihrer Kontroversen mit einem gewissen Theaterdirektor namens Goethe.

In Wirklichkeit jedoch war Henriette Caroline Friederike Jagemann (geb. am 25. Januar 1777 in Weimar, gest. am 10. Juli 1848 in Dresden), eine hervorragende Schauspielerin und Sängerin in ihrer Zeit.

Sie wurde in Mannheim unter Iffland und Josepha Beck für die Bühne ausgebildet, war von 1792 bis 1796 Mitglied des dortigen Nationaltheaters und ab 1797 in Weimar angestellt. Im selben Jahr wurde sie die Freundin und Geliebte des Herzogs Carl August, Maitresse heißt es in den meisten Quellen, ein heutigen Ohren unschön klingendes Wort, das sowohl auf die Frau wie auf den Mann einer solchen Partnerschaft den Schein des Unsoliden, der Libertinage wirft.

Zu Unrecht, meinen wir. Die meisten Fürstenhäuser zwangen ihre Kinder in dynastische Ehen, aus denen selten ein wirkliches Liebesverhältnis wurde. Eine Ausnahme kommt uns in den Sinn, nämlich die Ehe zwischen Friedrich Wilhelm III. von Preußen und Luise von Mecklenburg-Strelitz.
Wen wundert es, dass die solchermaßen in eheliche Verbindung Gezwungenen nach wirklicher Zuneigung suchten und sie in der Regel außerhalb ihrer Ehe fanden?
Die Mitwelt fand das damals nicht anstößig, und meistens wurde für eine ordentliche rechtliche und finanzielle Stellung einer sog. Maitresse und ihrer Kinder gesorgt.

So schenkte Carl August seiner lieben Caroline das Rittergut Heygendorf (Heygendorf ist heute eine Gemeinde im Kyffhäuserkreis und liegt rund 5 Kilometer östlich von Artern) und verschaffte ihr den Adelstitel. Später wurde dafür gesorgt, dass ihre und Carl Augusts Kinder den Titel behielten. Einer ihrer Söhne war der sächsische Generalmajor Karl Wolfgang von Heygendorf.

Es lässt sich denken, dass die bevorzugte Stellung von Caroline Jagemann am Weimarer Hoftheater zu Konflikten mit dem recht diktatorisch waltenden Theaterdirektor und Geheimrat Goethe führte. Dazu kam, dass Caroline Widerspruch wagte, eine eigene Meinung zu vertreten sich gestattete und es überhaupt an der Goethe gegenüber üblichen Devotion fehlen ließ.
Folgt man den Erinnerungen von Caroline von Heygendorf, die für die Geschichte des klassischen Weimar eine wichtige Quelle sind, so stand schon der Beginn von Carolines Tätigkeit unter keinem guten Stern. Sie schreibt:

"Zu Goethe trat ich nach dem Abschluss meines Engagements in dieselbe Stellung, die ich in Mannheim dem Intendanten gegenüber eingenommen hatte. Die Unterhandlungen waren zwischen dem Hofkammerrat und meinem Vater geführt worden, wobei sich Goethe so steif und gerade verhalten hatte, wie er sich in seiner äußeren Erscheinung zeigte. Ich glaube auch nicht, dass ihn meine Akquisition besonders angenehm war, denn meine Stellung, mein Talent und meine Neigung entzogen mich der sklavischen Unterwürfigkeit, in der er die Theaterdamen sich gegenüber zu sehen wünschte´".

Nach vielen Jahren der Auseinandersetzung und der Klagen von beiden Seiten kam das endgültige Zerwürfnis im Jahre 1817, als Goethe von der Theaterdirektion zurücktrat. Äußerer Anlass war der Befehl des Großherzogs, das Stück „Der Hund des Aubry" in dem ein dressierter Pudel mitwirken sollte, aufzuführen. Kein Versuch der Großherzogin und Carl Augusts selbst konnte Goethe dazu bewegen, die Direktion zu behalten. Es hieß sogar, dass er erwog, einem Ruf des Kaisers von Österreich nach Wien zu folgen.

Caroline behielt die Führung des Musiktheaters bis zum Tode des Großherzogs im Jahre 1828. Danach zog sie sich von der Bühne zurück und ging nach Dresden, wo sie im Jahre 1848 starb.
Es ist schön, um auf den Anfang unserer Betrachtung zurückzukommen, dass für die Erinnerungstafel am Haus Herderplatz 16 darauf verzichtet wurde, Carolines Stellung zum regierenden Fürsten zu erwähnen. So gewinnt, was eigentlich erinnerungswert ist, an Bedeutung, nämlich ihre großartigen Leistungen als Schauspielerin und Sängerin.

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