Weimar-Lese

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Kennst du Gotthold Ephraim Lessing?
vorgestellt von Jürgen Krätzer

Jürgen Krätzer eröffnet uns eine neue Sicht auf den Autor. Lessing entpuppt sich als schulverdrossener Aufrührer, als Student in „schlechter Gesellschaft" und als leidenschaftlicher Glücksspieler, der sich von Job zu Job hangelt. Bewusst stellte er sich gegen die damaligen Erwartungen und prangerte die Scheuklappen der Gesellschaft an. Krätzer zeigt dies anhand unkonventioneller Fabeln und Gedichte, seiner Kritiken und Briefe. Zugleich setzt er sich mit Lessings neuartiger Theatertheorie und den aufklärerischen Werten in seinen Dramen auseinander. Dabei gelingt es ihm aufzuzeigen, wie relevant und modern deren Themen noch heute sind.

Ausflug in das Weimar um 1800

Ausflug in das Weimar um 1800

Carolin Eberhardt

Augen werden diejenigen machen, die sich auf diese ungewöhnliche Zeitreise begeben. Denn vieles in der einstigen Residenzstadt wird anders vorzufinden sein, als das heute der Fall ist. Gespannt, neugierig und ein wenig aufgeregt beginnen wir unsere Reise.

Begeben wir uns also nun in das Jahr 1800, in die Stadt der Dichter und Denker. Schon bevor wir die Stadt betreten, können wir uns einer lachenden fruchtbaren Gegend erfreuen. Hier erheben sich reizende Hügel, welche mit Büschen bedeckt sind, ab und an sehen wir Felder. Kommen wir aus der Richtung Erfurt, so kommt der hohe Ettersberg schon bald in unser Sichtfeld. Weimar befindet sich in dem romantischen Tal, das die Ilm beherbergt.

Der Weg in die Residenzstadt ist nun geschafft. Doch wie sind wir verwundert darüber, in welchem Kontrast zu der lieblichen Umgebung sich die Stadt befindet. Wir müssen uns vorsehen, dass wir nicht auf den krummen Straßen stolpern, die sich durchziehen. Putzig wirken die kleinen Häuser, die meistens nur zwei, ganz selten drei Stockwerke haben. Ein schöner Anblick bietet sich durch die neu verputzen und gestrichenen Fassaden, die einen gepflegten Eindruck vermitteln.

Eigenartig, dass dieses Örtchen als Residenzstadt gerühmt wird, gleichen doch die öffentlichen Plätze, wie der Markt mit seinem sehr unregelmäßigen Viereck, wohl eher den Marktplätzen von kleinen Landstädten.

Da wir schon vor einigen Jahren einen Besuch in Weimar angetreten haben, fällt uns auf, dass sich seither positive Veränderungen eingestellt haben. Das Pflaster der Straße wurde ausgebessert, für Ordnung und Sauberkeit sorgt die gut funktionierende Polizei, die sich öfter in Präsenz sehen lässt. Auch vor Feuer ist Schutz geboten, verlaufen doch unterhalb der Straßen bedeckte Kanäle, deren Wasser im Notfall zum Löschen genutzt werden kann.

Die vier Hauptstraßen Weimars laufen auf den Topfmarkt, den heutigen Herderplatz, zu, an dem zu beiden Seiten hohe Steine angebracht sind. Eine Befestigung mit starken Ketten ist an ihnen verankert, so dass an Sonntagen während der Predig in der Hauptkirche, der heutigen Sankt Peter und Paul oder im Volksmund Herderkirche, die Steine quer vor die Straßen gezogen werden können. Wir wundern uns sehr über dieses Vorgehen und fragen eine stämmige Frau mittleren Altern nach der Ursache. Sie erklärt uns, dass die Vorrichtung verhindern soll, dass während der Predigt Fuhrwerke über den Topfmarkt fahren.

Als es nun beginnt zu dämmern, haben wir großes Glück, dass wir noch etwas sehen. Denn es ist ja Winter und zu dieser Jahreszeit werden die Straßenlaternen entzündet.

Wir sind neugierig und begeben uns in das Weimarische Archiv. Dort erfahren wir, dass es einen Grundriss der Stadt aus dem Jahr 1569 gibt, den Mag. Johann Wolf herausgegeben hat. Neugierig geworden, verlangen wir diesen zu Gesicht zu bekommen. Phänomenal! Uns scheint es so, als sei die Stadt nach ihrer Erbauung im 10. Jahrhundert viel größer gewesen sein als das heute der Fall ist. Schade, ein zweites Exemplar dieser Karte wurde wohl einst im Rathaus aufbewahrt, gilt aber heute leider als verloren.

Erstaunt sind wir über die Bevölkerungszahl. Im Jahr 2022 sind es immerhin 65.620 Menschen, die Weimar bewohnen. Nun, 1800, sind es gerade mal 8.000 Einwohner. Wahnsinn, welches Wachstum die Stadt in den kommenden Jahrhunderten noch erfahren soll. 800 Häuser stehen hier für ihre Einwohner bereit.

Bevor wir Weimar wieder verlassen, blicken wir uns nochmal um, ob uns nicht zufällig der große Dichterfürst Goehte über den Weg läuft. Natürlich wissen wir, wo er lebt, doch wollen wir nicht allzu aufdringlich sein und einfach vorbeigehen. Zumal uns die Leute eh schon alle etwas schräg anschauen. Wir haben ja keine zeitgemäße Kleidung mitgenommen und laufen in unseren Blue Jeans und in der Daunenjacke herum. Bevor uns die Polizei wegen unserer eigenartigen Erscheinung verhaftet, drehen wir die Uhren lieber wieder vor auf das Jahr 2024. Der Ausflug hat sich auf jeden Fall gelohnt.

 

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In Anlehnung an: Klebe, Friedrich Albrecht: Historisch-statistische Nachrichten von der berühmten Residenzstadt Weimar, Eberfeld: Mannsiussche Buchhandlung, 1800.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Weimar ost1780, 1780, Urheber: F. W. Schneider via Wikimedia Commons Public Domain.

Stadtplan Weimar von Johannes Wolf, 1569 via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

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