Weimar-Lese

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Frank Meyer

Raum 101
Erzählungen über Männer

Von dem Konflikt mit dem Vater beim Froschschenkeljagen, den abenteuerlichen Gefühlen einer Kinderliebe, den bleibenden Momenten mit dem besten Freund, die erschütternden Erlebnisse beim Bund...teils einfühlsam, teils derb erzählen die Geschichten dieser Sammlung, wie Jungen und Männer sich in verschiedenen Lebensabschnitten bewähren... oder wie sie versagen. 

Stadtmuseum Weimar (Bertuchhaus)

Stadtmuseum Weimar (Bertuchhaus)

Christoph Werner

Bertuchs Grab
Bertuchs Grab
Natürlich, meine Leser, soll mir die Überschrift dieses Streifzuges Gelegenheit
geben, über den Namensgeber unseres Verlages zu schreiben.


Sie verlassen den Goetheplatz in Richtung Neues Museum und Hauptbahnhof und befinden sich sogleich in der Liebknechtstraße, die in auf einer Stadtkarte von 1812 „Am Baumgarten" hieß, weil sie die östliche Begrenzung des „Baumgartens" war, auf dem sich jetzt der Weimarhallenpark befindet. Erstmals wurde der Baumgarten im 15. Jahrhundert erwähnt und war 300 Jahre lang im Besitz der fürstlichen Familie, bevor er im Jahre 1777 für 200 Taler jährliche Erbpacht an Friedrich Justin Bertuch kam, der das Anwesen durch Grundstückszukäufe erweiterte.
Bertuch bestimmte, dass er in seinem Garten begraben werden sollte. Daher finden wir das Grab des Ehepaares Bertuch heute im Weimarhallenpark, wo wir verweilen und des bedeutenden „Kaufmanns der Goethezeit" gedenken können.
In einer Schilderung der Stadt Weimar aus dem Jahre 1826 wird die Bedeutung des Lebenswerkes Bertuchs, das in seinen Verlagen gipfelte, deutlich. Dort heißt es:

„Das Landes-Industrie-Comptoir und das Geographische Institut (...) gehört zu den ausgebreitetsten literarischen Privatunternehmungen Deutschlands: es beschäftigt, mit Ausnahme der Gelehrten in und außerhalb der Stadt, gegen 280 Künstler, Kupferstecher, Lithographierer, Illuminierer, Setzer und Drucker, hat 6 Pressen, eine eigene Kupferdruckerei und eine Lithographieranstalt. 1825 unterhielt es 10 Zeitschriften im Gange, und lieferte, ohne Charten und Zeichnungen, einige 60 neue Produkte und Fortsetzungen auf den beiden literarischen Märkten zu Leipzig."

Man erkennt, wie weit der früh verwaiste Knabe von einst gelangt war. Man erkennt hinter der Darstellung auch ein bis ins Detail durchorganisiertes rastloses Arbeitsleben. Über sein Privatleben ist wenig bekannt, so dass es schwer fällt, ein Bild von dem Menschen Bertuch zu gewinnen. Der Unternehmer achtete stets streng auf Trennung zwischen dem öffentlichen und privaten Bereich in seinem Leben. Über sein Äußeres schreibt ein Zeitgenosse im Jahre 1800:

Bertuchportrait
Bertuchportrait
„Er ist von mittlerer Statur, hat kein sehr auffälliges Gesicht,
aber Munterkeit und Lebhaftigkeit in Gesellschaft."

Es scheint fast, als habe Bertuch aus seinen gesellschaftlichen Anfängen in Weimar gelernt, möglichst wenig von sich preiszugeben, um der Klatschgesellschaft am Hof und in der Stadt keine Angriffspunkte zu bieten.
Im Jahre 1773 war er als Sechsundzwanzigjähriger ohne Vermögen und Einkünfte nach Weimar zurückgekehrt und entschlossen, eine Existenz als freier Schriftsteller zu begründen. Mit dem literarisch-künstlerischen Kreis um die Herzogin Anna Amalia trat er bald in eine enge Beziehung. Seine große Leistung aus dieser Zeit ist die Übersetzung des Don Quichote. Im „Teutschen Merkur", dessen Geschäftsführung und finanzielle Betreuung ihm Wieland bald übertragen hatte, kündigte er im Dezember 1774 die Veröffentlichung der Übersetzung an. Er benutzte - anders als alle anderen zuvor erschienenen deutschen Übersetzungen, die französische Ausgaben zu Grunde gelegt hatten - das spanische Original. Über seinen Tagesablauf während dieser Arbeit schreibt er an Gleim in Halberstadt:

„Die meisten meiner Tage sind jetzt alle einander gleich: nämlich früh 5 Uhr stehe ich auf und setze mich mit meinem lieben Ritter an den Schreibtisch und sitze da, die Essensstunden ausgenommen, bis Abends 6 Uhr. Da steht mein Gaul gesattelt vor der Thüre, den besteige ich und reite bis 8 Uhr oder gehe mit unserer Wielands Familie spazieren; um 8 Uhr eße ich ein wenig kalt und schreibe noch bis 10 Uhr Briefe."

Mit dieser Übersetzung, die durch mutige Streichungen, Vereinfachungen und Straffungen sowie die Betonung des Komischen durch volkstümlich derbe Ausdrücke den berühmten Roman für das damalige Publikum erst richtig lesbar machte, wurde die spanische Literatur einem deutschen Leserkreis erstmals zugänglich.

Bertuch erkannte bald, besonders nach der Ankunft des fast gleichaltrigen Goethe am 7. November 1775, an dem er sich natürlicherweise maß, dass seine Zukunft nicht, wie er als junger Mann geglaubt hatte, in eigenständigen literarischen Leistungen lag.
Er verdiente sich seinen Lebensunterhalt nun als Geheimsekretär und Schatzmeister des jungen Herzogs Carl August, dem offenbar Bertuchs Geschicklichkeit in ökonomischen Belangen bekannt wurde. Der Aufgabenbereich des neuen „Scatouliers" war groß. Er hatte die Privatschatulle zu führen, die fürstliche Handbibliothek sowie die Kupferstich-, Gemälde- und Antikensammlung zu betreuen. Bei den wöchentlichen Audienzen hatte er als Protokollant anwesend zu sein und schließlich den Schriftverkehr des Herzogs verantwortlich zu bearbeiten.
So gewann er schnell Einblicke in die Machtausübung in einem Zwergstaat von damals 100 000 Einwohnern, die jedoch bald von einem anderen, nämlich Goethe, beeinflusst wurde. Bertuchs Verhältnis zu Carl August blieb, anders als das Goethes, auf das Dienstliche beschränkt. Zudem stellte sich bald eine gewisse Distanz zwischen dem seit Goethes Ankunft beginnenden Ausschweifungen, die viel Geld kosteten, und Bertuchs strengeren Lebens- und finanziellen Auffassungen ein.
Für seine Arbeit am Hof erhielt er 300 Taler jährlich. Dennoch empfand er seine neue Stellung, in der er unter fürstlichem Dach freies Quartier mit Licht und kostenloser Heizung erhielt, „als Glück für [s]ich".

Friedrich Justin Bertuch war ein großer Bürger Weimars. Als er 1822, fünfundsiebzig Jahre alt, entkräftet aber ohne Schmerzen gestorben war, vermerkte die in Weimar veröffentlichte Todesanzeige, dass Bertuch dahingegangen sei „mit dem Bewusstsein, nicht vergebens für seine Zeit gelebt zu haben." Wahrlich eine bescheidene Würdigung eines gewaltigen Werkes.
Er wurde am 6. April, einem Samstag, um 9 Uhr begraben. Alles, was in Weimar Rang und Namen hatte, sowie die Mitarbeiter seines Landes-Industrie-Comptoirs waren anwesend. Goethe ließ sich durch seinen Sohn, Kammerrat August von Goethe, vertreten. Am offenen Grabgewölbe im Bertuchschen Garten unternahm zu Ehren des verstorbenen „Großherzoglichen Legationsrathes, Ritters des Weißen Falkenordens und Direktors der Königlich Preußischen Akademie Gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt" Kanzler Friedrich von Müller eine eindrucksvolle Würdigung, an der Goethe, „Jugend- und Altersgenosse" Bertuchs, mitgearbeitet hatte.

Bertuchhaus
Bertuchhaus

Das Bertuchhaus, in dem sich seit 1954 das Stadtmuseum Weimar befindet, ist heute noch Zeugnis von Bertuchs Wirken. Der Nordflügel entstand in den Jahren 1780 bis 1782 als Landhaus, „weit draußen zwischen St. Jacob und den Schwanseewiesen". Das Haus wurde Wohnvilla der Familie und Geschäftshaus. Der neu erworbene Baugrund hatte 436 Taler gekostet. Wir erinnern uns, dass Bertuch als Geheimsekretär und Schatullenverwalter 300 Euro Jahresgehalt erhielt. Die Kosten für den Bau betrugen 3478 Taler. Die fürstliche Kammer gewährte dem herzoglichen Schatullverwalter einen Baukostenzuschuss von 1000 Talern, sozusagen Fördermittel für den angehenden Jungunternehmer. Das großzügige, sich mit einer Veranda nach Westen öffnende Haus war nach Bertuchs geheimen Plänen für sein späteres Leben so konzipiert, dass es eine Erweiterung, also für seine geschäftlichen Vorhaben notwendige Anbauten, zuließ.

Wer sich heute näher mit Friedrich Justin Bertuch beschäftigt, wird erkennen, wie beständig er sich bemühte, gewinnbringendes Unternehmertum mit sozialer Verantwortung zu verbinden. Ein großer Teil der Einwohner Weimars erhielt bei ihm Lohn und Brot. Auch Christiane Vulpius, die spätere Frau Goethes, hat in seiner Werkstatt zur Herstellung von modischen Blumen aus Seide und Spitzen gearbeitet.
Der Bertuch Verlag Weimar führt die von Friedrich Justin Bertuch begründeten geschäftlichen und sozialen Traditionen fort.
(Als Quelle für diesen Text wurde hauptsächlich verwendet: Steiner, Walter und Kühn-Stillmark, Uta. 2001. Friedrich Justin Bertuch. Ein Leben im klassischen Weimar zwischen Kultur und Kommerz. Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag.)

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