Da, wo über viele Jahre die D-Mark ausgegeben wurde, hat sich nun ein völlig anderes, und doch zum Teil dem KDI (Klub der Intelligenz) ähnliches Nutzungskonzept eingefügt: die WerkBank. Dort, wo einst die Mitarbeiter mit ihren Paletten durch den Saal der einstigen Bundesbank fuhren, befindet sich heute der Co-Working-Saal. Da, wo vor einigen Jahren die Kunden durch die Schleusen traten, um das Papier- und Hartgeld in Empfang zu nehmen, erblickt der Besucher heute einen gemütlichen Aufenthaltsraum. Wo früher das Geld gelagert wurde, nämlich im angebauten Tresorraum, finden heute Bandproben statt.
Nach 10-jähriger Nutzung als Büroräume und Wohnungen für Menschen mit Betreuungsbedarf traf die Lebenshilfe 2021 die Entscheidung, das Gebäude in der Schubertstraße 10 zu veräußern. Zu dem Zeitpunkt suchte der Lösungslabor e.V. nach einem Immobilienobjekt. Doch bevor an dieser Stelle weiter auf die Entwicklung der WerkBank bis zum heutigen Zeitpunkt eingegangen wird, soll zunächst geklärt werden, wer sich hinter dem Lösungslabor e.V. verbirgt und wie dieser mit der WerkBank zusammenhängt.
Die WerkBank ist ein Projekt des Lösungslabor e.V., welcher in Weimar nun schon bereits seit 2010 tätig ist. Zunächst wurde der Verein von jungen Menschen gegründet, die nach ihrem Studienabschluss an der Bauhaus Universität Weimar einen Arbeitsplatz für ihre Selbstständigkeit benötigten. Auf der Suche nach passenden Büroräumen wurden die jungen Berufseinsteiger auf das Gebäude am Goetheplatz 9b aufmerksam. Der Vermieter der Immobilie – die Stadt Weimar – wollte jedoch ungern Einzelmietverträge für einzelne Arbeitsplätze ausstellen, und so gründeten die Mietinteressenten den Verein Lösungslabor e.V. Fortan trat dieser als Generalmieter gegenüber der Stadt auf und schloss Untermietverträge mit ihren Mitgliedern ab. Aus diesem Konstrukt heraus entstand das Projekt „Kreativ-Etage“. Vorteilhaft war die Gründung des Lösungslabor e.V. auch in Bezug auf die Nutzung des Projektraumes im Erdgeschoss, die an die Gemeinnützigkeit geknüpft war. Der Verein wurde zu dem Zweck gegründet, die Räume für Kunst, Kultur und kreative Prozesse zur Verfügung zu stellen. In der Folge mietete der Verein 12 Jahre lang die Räumlichkeiten am Goetheplatz an. Anfänglich wurden drei bis vier Räume genutzt, über die Jahre steigerte sich die Fläche auf weitere im gesamten Haus verteilte Büroräume mit insgesamt 400 Quadratmeter. Nicht nur der Bedarf an weiteren Büros wuchs innerhalb der damaligen Kreativ-Etage, sondern auch der Zusammenhalt und die Gemeinschaft unter den Vereinsmitgliedern.
Die Kreativ-Etage unterstütze in den Jahren nach ihrer Gründung die Entstehung verschiedener anderer Projekte, so zum Beispiel des Brückenfestes, Genius Loci, Wohnprojekt Roh70, des Quartiersprojektes Alte Feuerwache und vielen anderen, und entwickelte sich mehr und mehr zu einem selbstständig gewachsenen Think Tank Weimars. Als Anfang der 2020er Jahre die Stadt in Bezug auf den Goetheplatz 8b Sanierungsabsichten ankündigte, war das Lösungslabor auf neue Büroräume angewiesen, was zu dem Interesse an der ehemaligen Bundesbank führte.
Mit der Verkaufsabsicht der Lebenshilfe in Bezug auf das Gebäude Schubertstraße 10 tat sich für den Lösungslabor e.V. eine Chance auf. Zum Verkehrswert von 1,6 Mio. Euro konnte er das Bauwerk erwerben, ca. 200.000 Euro Baukosten mussten zusätzlich aufgebracht werden. Mit dem Immobilienerwerb verfolgte der Verein das Ziel, das Gebäude vom Markt zu nehmen, um es einer semiöffentlichen Nutzung mit einem Mehrwert für die Gesellschaft zuzuführen. Die Verkaufsbedingungen der Lebenshilfe bestanden darin, dass der Verein innerhalb eines halben Jahres den Kaufpreis akquirieren und ein sinnvolles Nutzungskonzept vorlegen sollte. Im Zeitraum des 3. Quartals 2021 bis zum 1. Quartal 2022 konnten die Bedingungen erfüllt werden, so dass einem Kauf nichts im Wege stand. Für das Vorhaben konnte die GLS Gemeinschaftsbank eG sowie der GLS Treuhand e.V. gewonnen werden, 200.000 Euro musste der Verein für die Investition in Eigenmitteln aufbringen. Insgesamt 40 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet, darunter viele aus Weimar, beteiligten sich an dem Projekt mit einer Geldleihe.
Hinter der WerkBank selbst stehen verschiedene rechtliche Konstrukte. Wie bereits erwähnt existierte der Lösungslabor e.V. schon einige Jahre vor der Gründung der WerkBank, ist aber auf Grund seiner Satzung nicht zur Gebäudeverwaltung geeignet. Daher entschieden sich die Mitglieder für die Gründung einer Tochter-GmbH nach dem Modell des Mietshäusersyndikats. Der Lösungslabor e.V. setzt sich zusammen aus ca. 60 in der WerkBank arbeitenden Menschen, welche zugleich Mitglieder im gemeinnützigen Verein, zuzüglich 30 weiterer Mitglieder. Die Projektgruppe WerkBank hat alle Belange das Haus betreffend in ihrer Verantwortung, neben dem Marketing, der AG-Belegung, der Hausbesichtigungen, des Möbelbaus viele weitere. Die Konsequenz aus dem rechtlichen Konstrukt ist, dass alle im Haus Arbeitenden gleichzeitig auch Vereinsmitglieder sind und jedem, der eingemietet ist, das Haus gehört. Zukünftig ist geplant, eine Bodenstiftung zu gründen, die den Wiederverkauf des Gebäudes langfristig verhindern soll. Ohne die finanzielle Unterstützung der über 40 Direktkreditgeber, die die neugegründete „Häuser für Alle Weimar GmbH“ mit insgesamt 200.000 Euro unterstützt haben, wäre der Kauf der Immobilie innerhalb der gesetzten Frist nicht möglich gewesen. Das geliehene Geld ist an einen moderaten Zins gekoppelt, welcher sich aus den Mieteinnahmen finanziert. Darüber hinaus ist auch das Gefühl, das eigene Vermögen für einen sinnvollen Zweck anzulegen, ein Zugewinn für die Unterstützer. Die Direktkredite sind jederzeit kündbar und werden nach einer Sperrzeit von 6 Monaten von der GmbH ausgezahlt.
Steigen die Mieten gemeinhin nicht nur in Weimar, sondern deutschlandweit stetig an, so verhält es sich in der Schubertstraße 10 etwas anders. Denn hier sind die Mieten nicht an den Markt gekoppelt. Zwar müssen durch die Mieteinnahmen zunächst die Kredite getilgt werden und so sind die Mieten im Moment vergleichsweise noch nicht günstig. Doch genießt der Mieter innerhalb der Räumlichkeiten einige Freiheiten. Die Gemeinschaftsräume wie Küche - und gegen eine günstigere Miete auch die Meetingräume - können genutzt werden. Öffentliche Veranstaltungen werden in regelmäßigen Abständen vorgehalten, so zum Beispiel das Gründungslabor 2023. Der Seminarraum in der oberen Etage kann extern angemietet werden. Hier besteht ein langfristiges Ziel darin, gemeinnützigen Organisationen die Nutzung kostenfrei anbieten zu können. Der Projektraum bietet sich für verschiedene Veranstaltungen an, ob dienstlicher oder privater Natur, ob für Lesungen, Firmenmeetings oder für Vereinstreffen.
In der WerkBank mieten sich Vereine auf unterschiedlicher Basis ein. So benötigt der NABU lediglich einen Lagerraum und zweimal pro Woche einen Sitzungsraum. Der Reha-Sport Weimar ist mit seiner Geschäftsadresse angemeldet, das heißt er hat sich einen Briefkasten bzw. die Postadresse für 40 Euro im Monat angemietet.
Vorrangig sind in dem Projektgebäude nach wie vor Selbstständige anzutreffen, die einen festen Arbeitsplatz mieten. Die Co-Working-Plätze, also die Büroräumlichkeiten, die sich mehrere Menschen in dem großen Saal im Erdgeschoss teilen, wird von unterschiedlichen Interessenten genutzt, darunter Praktikanten, Neugründern oder Angestellten, die im Remote arbeiten. Nach wie vor stehen freie Co-Working Arbeitsplätze sowie Büros mit einer Kapazität von zwei bis drei Mietern zur Verfügung.
Co-Working in Weimar und Thüringen
Bundesweit hat sich mittlerweile eine große Co-Working-Szene etabliert. 2020 gewannen unter anderem die Co-Working-Spaces in Erfurt und Jena eine Förderung, um die Co-Working-Szene in Thüringen besser miteinander zu vernetzen. Drei Jahre hatte das mit 350.000 Euro geförderte Projekt Up Thüringen (up-thueringen.de) Bestand, um die Szene auch für andere Co-Worker sichtbar zu machen. Dies vereinfachte auch ein Hopping zwischen den verschiedenen Räumen in Jena, Erfurt und Weimar. Die durch das Projekt entstandene Webseite zeigt den Mehrwert der Co-Workings auf. In Weimar gab es zu diesem Zeitpunkt noch kein Co-Working, hier war die Kreativ-Etage mit ihrem Modell am nächsten dran. Es wurden bereits damals schon Büros vorgehalten, die von 2 – 4 Personen aus verschiedenen Firmen genutzt wurden. Die Kreativ-Etage wurde bereits 2019 in der Szene der Co-Worker gelistet. Der Unterschied zwischen anderen Co-Working-Plätzen und denen der WerkBank besteht darin, dass diese sich als Geschäftsmodelle definieren und somit einem Mietmodell unterliegen. Folglich sind sie stets der Gefahr von Verdrängung, Kündigung, Mieterhöhungen oder ähnlichem ausgesetzt. In der WerkBank liegt eine Kombination aus Co-Working und kollektivem Hausprojekt vor, die die Räume dauerhaft sichert. Zukünftig werden die im Moment noch relativ hohen Mieten – aktuell 10 Euro/Quadratmeter kalt – sinken. Die Mietmarktprognose tendiert dahin, dass die Mieten allgemein innerhalb der nächsten zwanzig Jahre auf 20 Euro pro Quadratmeter ansteigen werden. Da die WerkBank den Mietern selbst gehört, sind sie der Inflation des Marktes nicht unterworfen.
Ein weiterer Bonus gegenüber anderen Co-Workings ist der Gestaltungsfreiraum, den die WerkBank bietet. Je nach Interessen, Kompetenzen und Fähigkeiten können die Mitglieder jederzeit verschiedene Arbeitsgemeinschaften (AGs) gründen und die Mitmieter einbeziehen. Dadurch wird ein großer Pool an Fachwissen genutzt, die sogenannte Schwarmintelligenz tritt zu Tage. Für Gründer gibt es in den ersten drei Jahren eine Förderung durch die Stadt, bei welcher im ersten Jahr 50 Prozent der Kaltmiete bezuschusst werden, im zweiten 40 und im dritten Jahr 30 Prozent. Es besteht eine sehr enge Kooperation zwischen der Stadt Weimar und der WerkBank.
Skeptiker gehen davon aus, dass in einem Co-Working-Space die Konzentration während des Arbeitens durch die anderen Co-Worker gestört wird. Doch Erfahrungsberichte aktiver Co-Worker widerlegen dieses Vorurteil. Tatsächlich müssen selbst im großen Co-Working-Raum im Erdgeschoss alle Anwesenden ihren Alltagsgeschäften nachgehen, somit ist die notwendige Ruhe gegeben, zusätzlich motiviert das Arbeitsfluss der anderen. Für Telefongespräche stehen schallisolierte Telefonkabinen und die große Gemeinschaftsküche zur Verfügung.
Ein Haus in kollektiver Selbstverwaltung
Die WerkBank verwaltet das Haus in Gemeinschaft. Doch was bedeutet das im Konkreten? Die AG-Finanzen wird durch einen Hausverwalter und eine Buchhalterin unterstützt, die alle 2 Wochen ehrenamtlich im Business-Controlling mitarbeiten und die Geschäftsführer beraten. In der AG-Marketing sind ebenfalls Experten und Expertinnen eingebunden. Das Entscheidende ist die Koordination, für die Arbeitskreise und ein bis zwei Koordinatoren zuständig sind und mit der Aufgabe betraut sind, die Einhaltung aller regelmäßigen Termine abzusichern. Bei diesem Modell wird von einer sogenannten Soziokratie gesprochen.
Ziel ist es, kein anonymes Nebeneinander-Her-Arbeiten entstehen zu lassen, dennoch ist die Teilnahme an AGs oder anderen Angeboten kein Zwang. Es besteht keine Verpflichtung, sich im Kollektiv zu engagieren. In der WerkBank sind viele unterschiedliche Berufsgruppen vertreten, darunter zum Beispiel auch ein Förster. Diese Vielfalt an Fachbereichen und Charakteren stellt insbesondere in der Problemlösung eine enorme Bereicherung dar. Synergieeffekte können genutzt werden.
Die WerkBank ist immer auf der Suche nach neuen Mitmietern, Co-Workern und Direktkreditgebern. Um sich in der Öffentlichkeit bekannter zu machen, findet das Eröffnungsfest bzw. die Einweihung der WerkBank am 08. September 2024 statt. Zwischen 10:00 und 16:00 Uhr öffnet die Bank ihre Tore für interessierte Besucher. Jeweils 11:00 Uhr und 14:00 Uhr findet eine öffentliche Führung im Rahmen des „Tag des offenen Denkmals" statt. Für das leibliche Wohl ist mit Speis und Trank gesorgt.
Adresse:
WerkBank Weimar
Schubertstraße 10
99423 Weimar
Kontakt:
Telefon: 03643 / 8776170
E-Mail: post@werkbank-weimar.de
Weitere Informationen:
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Inhalte: entnommen aus einem Interview mit Sebastian Kirschner (Geschäftsführer der Hauser fül alle GmbH) und Kerstin Boehmer (Vorstand des Lösungslabor e.V.).
Fotos: zur Verfügung gestellt mit freundlicher Genehmigung der WerkBank Weimar.
Co-Working-Space: © Martin Staffa.
Tischbau: © Caspar Schmitz.