Wer nach Weimar kommt, stellt bald fest, dass die Stadt als Sammelort unzähliger historischer Größen seinen Besuchern weit mehr bietet, als man auf den ersten Blick fassen kann, sodass man oft nicht weiß, wo man anfangen soll. Im Kinderbuch “Kater Nepomuk und die Geister von Weimar” lernt man die wichtigsten historischen Persönlichkeiten, die in Weimar lebten, kennen und wird von einem bewanderten Kater durch die Stadt der Dichter und Denker geführt. Begeben wir uns gemeinsam auf seine Spuren, bekommen wir von ihm beinahe alle wichtigen und historischen Orte Weimars gezeigt und können mühelos das beschauliche Kulturzentrum Deutschlands entdecken, ohne von seiner Masse an Möglichkeiten erschlagen zu werden.
Würden wir alle Orte, die der Kater uns vorstellt, chronologisch abarbeiten wollen, dann müssten wir einmal kreuz und quer durch die ganze Stadt laufen und riskierten, uns zu verirren. Daher habe ich eine Route zusammengestellt, die zwar keine historische Chronologie gewährleistet, allerdings weniger Zeit in Anspruch nimmt, ohne eine Sehenswürdigkeit aussparen zu müssen.
Am besten beginnen wir dafür am Marktplatz im Zentrum von Weimar. Dort findet sich das Rathaus, an dem das Stadtwappen zu sehen ist. Hier beginnt die Geschichte Nepomuks, des „Löwen“ mit den 14 Leben, und hier endet auch wieder unser historischer Spaziergang. Entgegen der Erwartung, die das Buch im Leser auslöst, ist das Stadtwappen am Rathaus allerdings nicht auf den ersten Blick sichtbar. Den kleinen schwarzen Löwen mit den noch kleineren schwarzen Herzen findet man bei genauerer Betrachtung direkt neben der Eingangstür an die Wand geheftet.
Gehen wir linkerhand am Rathaus durch die Frauentorstraße und biegen dann rechts von uns die von Bäumen durchzogene Fußgängerzone, können wir bald schon das auffällige gelbe Haus sehen, in dem Schiller die letzten fünf Jahre seines Lebens mit seiner Familie wohnte und wo er zahlreiche seiner bekanntesten Werke vollendete. Aufgrund der Höhe des Hauses kann man sich gut vorstellen, wie der kleine fellige Titelheld durch die obersten Fenster nach außen blickte und das Stadttreiben beobachtete, wenn sein Freund Schiller beschäftigt war.
Spazieren wir nun die Fußgängerzone noch ein bisschen weiter Richtung Norden, kommen wir auf direktem Wege zum Theaterplatz, einem der bekanntesten Orte der Stadt. Es ist einer der Lieblingsplätze des kulturbegeisterten Katers. Hier steht das berühmte Goethe-und-Schiller-Denkmal, das vermutlich meistfotografierte Objekt der Stadt. Die beiden literarischen Größen stehen imposant auf gleicher Höhe, obwohl Goethe eigentlich ein gutes Stück kleiner gewesen ist als der sehr schlaksige, hochgewachsene Schiller. Wer seinen Fotoapparat vor der majestätischen Statue zücken will, dem kann es manchmal passieren, dass sich ein frecher Kater ins Bild schleicht.
Direkt gegenüber von Theater und Dichter-Standbild befindet sich das Wittumspalais, eine Residenz der Herzogin Anna Amalia, von der unser Kater schwärmend berichtet. Nach dem großen Schlossbrand 1774 wurde dieses Palais der Herzogin als Wohnsitz angeboten. Die Räume im Haus sind überraschend klein und niedrig für eine adelige Residenz und nicht zu vergleichen mit denen des Schlosses, dennoch ist es stilvoll eingerichtet und mit authentischem Mobiliar einen Besuch wert. Vor allem die intensiven Farben der Wandverkleidungen fallen dem Betrachter ins Auge, die im Kontrast zu den legeren edlen Vorhängen stehen. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie hier Kater Nepomuk, hinter den Vorhängen gut geschützt vor neugierigen Blicken, auf dem Fensterbrett bei interessanten Gesprächsrunden der Dichter und Denker zugegen war.
Neben dem Haus steht eine große Eiche. Einige Kratzspuren im Stamm verraten, dass Nepomuk hier öfter im Baum saß und Anna Amalias musikalischen Klängen aus dem Musikzimmer lausche.
Durch eine Torausfahrt auf der anderen Seite des Gebäudes führt uns ein Weg durch die Rittergasse in Richtung Herderplatz. In seinen Mantel gehüllt und mit nachdenklichem Gesichtsausdruck bewacht Philosoph und Pfarrer Johann Gottfried Herder die hinter ihm stehende Kirche und sein ehemaliges Wohnhaus. Durch den Torbogen gelangen wir in den zauberhaften Herdergarten, den den Herders Frau Caroline so liebevoll pflegte. Auch Nepomuk ist hier gern zu Besuch und eifrige Kater-Spurensucher werden hier zahlreiche Lieblingsplätze des miauenden Helden ausfindig machen. Allerdings hofft der Kater, dass das einstige „Café Caroline“, dass noch vor ein paar Jahren vorzüglichen Kuchen und ein gemütliches Päuschen bot, irgendwann wieder zum Leben erweckt wird.
Werfen wir doch noch einen Blick in die Herderkirche. Hier finden wir auf dem Altarbild mehrere Figuren, die Nepomuk in einem weit früheren Jahrhundert kennenlernen durfte, lange bevor Herder darin wirkte. Auf der linken Seite entdecken wir das Portrait der Herzogin Sibylle von Cleve mit ihrem Mann Herzog Johann Friedrich I. und auf er rechten Seite das ihrer Kinder, gemalt vom Künstler Lucas Cranach. Das zentrale und auffälligste Gemälde ist die Abbildung Jesus am Kreuze, auf dem auch Luther deutlich zu erkennen ist. Von diesem allerdings berichtet Nepomuk nichts, da er ihn leider nie getroffen hat. Über wen er allerdings ausführlich serzählt, ist der weißbärtige Herr, der nicht ganz in die Szene zu passen scheint. Es ist Nepomuks Freund Cranach selbst, der sich neben den biblischen Größen und seinen Bekannten Sibylle und Johann Friedrich hier verewigt hat.
Verlassen wir nun die Kirche und den Herderplatz Richtung Ilm, so gelangen wir zu unserem nächsten Ziel, dem Wohnhaus des Märchendichters Musäus. An einem kleinen gemütlichen Fleckchen steht es relativ abgeschottet vom Trubel der Touristenstadt. Hier an diesem friedlichen Ort trifft sich Kater Nepomuk mit den anderen Weimarer Katzen des Nachts.
Von hier aus ist schon der Ilmpark in Sicht, das Juwel Weimars. Auch Samtpfoten suchen gern diesen Park zum Träumen und Entspannen auf. Wir überqueren die Sternbrücke bis zum Treppchen in ihrer Mitte, um auf die andere Seite der Ilm zu gelangen. Mit ein wenig Fantasie kann man Nepomuk noch an der Ilm liegen sehen, wachsam lauernd, um einen Blick auf die sagenhafte Ilmnixe zu erhaschen. Vorbei am Ochsenauge, einem kreisrunden Wasserbecken, führt eine ruhige bewaldete Strecke tiefer in den Park hinein. Der Weg führt geradewegs zu einer großen Grünfläche. Sie bietet allerlei Platz, um sich zu einem gemütlichen Picknick zu treffen oder sich zu sonnen. Von hier aus können wir einen großen Teil des Parks überblicken. Die geschwungenen Wege erinnern an den Stil eines englischen Gartens.
Und schon ist linker Hand das erhöhte Gartenhaus zu entdecken, in das der berühmte Dichter Johann Wolfgang Goethe sich zurückgezogen hat. Für ein Gartenhaus ist das zweistöckige Gebäude überraschend groß. Der hübsche Garten lässt auch heute noch erahnen, wie viel Mühe sich der Botanikfreund Goethe mit diesem eigenen kleinen Paradies gegeben hat.
Den Park könnten wir schön umrunden und uns unterwegs auf schattigen Bänken ausruhen, die einen klaren Blick auf die Ilm und ihre Natur eröffnen. Um Zeit zu sparen, steuern wir jedoch direkt zum Denkmal des Pianisten und Komponisten Franz Liszt. Kater Nepomuk beschreibt ausführlich, wie er einst einen Übeltäter erwischte, der dem Musiker einen Finger abschlug. Glücklicherweise ist die Hand längst saniert. Wenn man aber genau hinschaut, kann man erkennen, dass die Finger seiner rechten Hand tatsächlich Sprünge aufweisen und geklebt aussehen. Eine kleine steinerne Bank daneben bietet Gelegenheit, sich auszuruhen. Und sollten wir hier einen Kater sitzen sehen, kann das nur Nepomuk sein, der in einem seiner weiteren Leben das Denkmal vor Kunstbanausen bewacht.
Verlassen wir den schönen Park und führen unseren Weg über das Liszthaus und die Belvedere Allee zum Wielandplatz fort. Oft besucht Nepomuk seinen alten Freund Christoph Martin Wieland, der leicht erhöht im steinernen Halbrund steht. Besonders auffallend ist, dass der als klein und schmächtig beschriebene Dichter auf seinem Sockel vollkommen anders wirkt, groß und mit gut proportionierten Körper blickt er in die Weite. Die Weimarer Jugend, die den Platz als Treffpunkt für gemeinsame Abende zu nutzen scheint, erlaubt sich gern mal einen kleinen Spaß und lässt den Schriftsteller in seiner erhobenen Hand eine Bierflasche preisen.
Nur einen Katzensprung entfernt befindet sich Goethes Wohnhaus. Die breite Fensterläden sehen aus der Sicht neugieriger Katzen verlockend aus und Innenhof und Garten bieten lauschig-schnurrige Schlafplätze. Durchqueren wir im Anschluss die Seifengasse, durch die auch der unser Kater streifte, kommen wir über die sehenswerte Anna-Amalia-Bibliothek zum Stadtschloss. Dort war die Schlosskapelle, auch Himmelsburg genannt, in der einst Johann Sebastian Bach musizierte. Leider hat sie den großen Schlossbrand nicht überdauert. Doch heute klingen von der Musikschule Franz Liszt vereinzelt Töne hinüber.
Nun sind es nur noch wenige Meter bis zum Markt zurück, der den Abschluss unserer Tour bilden soll. Werfen wir noch einen Blick auf das Cranachhaus, das gegenüber dem Rathause steht und verabschieden uns nun von unserem vierbeinigen Stadtführer und gönnen uns auf dem Marktplatz eine Thüringer Bratwurst.
Und wer auch zuhause noch weiter in Weimar herumgeistern möchte, folgt dem abenteuerlustigen Samtpfötchen ins Buch „Nepomuk und die Geister von Weimar“.
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Fotos und Map-Gesatltung : Victoria Käppler