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Sommerschnee

Berndt Seite

Hardcover, 124 S., 2020 erscheint demnächst; Bereits vorbestellbar

ISBN: 978-3-86397-134-2
Preis: 15,00 €

Sommerschnee – das sind die luftig-bauschigen Samenfasern der Pappelfrüchte, die sich im Sommer öffnen und die Welt mit ihrem weißen Flaum überziehen: Schnee in der wärmsten Jahreszeit. Mal melancholisch, mal mandelbitter, aber stets in größter Genauigkeit geht Berndt Seite auch in seinem neuen Lyrikband den Erscheinungsformen der Natur nach und lotet in ihnen die Bedingungen des Lebens aus.

Lustvolles aus dem Schloss Ettersburg

Lustvolles aus dem Schloss Ettersburg

Lotta von Kiesel

Schloss Ettersburg
Schloss Ettersburg
Als ich zum ersten Mal die Schlossanlage von Ettersburg besuchte, war ich völlig überrascht. Eben noch hatte ich ein ziemlich marodes Gebäude umkreist und plötzlich stand ich verzaubert vom Anblick dieses Panoramas an einem Wiesenhang. Sonnenbeschienen schwang er sich auf die Höhe des Ettersberges, liebevoll umarmt vom Wald. Ein einsam grasendes Pferd und ich waren die einzigen sichtbaren Lebewesen. Und dann diese unendlich uralten Bäume! Jeder als Kulisse für englische Gruselfilme im Mondesglanz mit Käuzchenschrei geeignet.
Ein ursprüngliches Jagdschloss wurde zum Sommersitz von Friedrich des Großen genialer Nichte, Herzogin Anna Amalia. Hier lebte sie in ihrer Lust an geistvoller Unterhaltung. Neugierig wie Frauen sind, bewegte mich die Frage, ob es denn wohl trotz höfischer Etikette auch lustig zuging.

O ja, beim Stöbern in alten Aufzeichnungen fand ich so allerhand Amüsantes.
Zunächst frönten die Herren der Jagdlust. Es gab auf der Höhe gegenüber dem Schlosse einen "Brunfthof". Eingezäunt und gut gefüttert hielt man hier das Wild. Aus einer Art „Unterstand" schossen die hohen Herrschaften die chancenlosen Tiere ab. Eine gar „lustvolle" Beschäftigung, die nun ja der Vergangenheit angehört.

Wahrhaft lustig wurde es, als Anna Amalia das Kulturmanagement auf dem Ettersburger Schlösschen übernahm. Die komponierende, musizierende, dichtende, singende und malende Herzogin aktivierte ihr gesamtes Umfeld: Goethe dichtete im Eilverfahren, Kammerherr von Seckendorff instrumentierte, die Zeichenlehrer Goethes - Kraus und Oeser hatten Dekorationen zu malen.
Auf der Bühne agierten die Herzogin samt ihren Söhnen Carl August und Konstantin, die kleine Hofdame von Göchhausen, die Prinzenerzieher Graf von Einsiedel und von Knebel, der Märchendichter Musaeus, der Hoftischler Mieding, Charlotte von Steins 11-jähriger Sohn Fritz, der Verleger und Schriftsteller Friedrich Justin Bertuch und der überaus beleibte Hofrat Bode. Die einzige " Profischauspielerin" war Corona Schröter - die Schöne, die Bewunderte, die mit Goethe in der Hauptrolle des Orest in "Iphigenie auf Tauris" alle in Verzückung ausbrechen ließ.

Schloss Ettersburg
Schloss Ettersburg
Eine unbändige Spiellust, verbunden mit Scherz und Schabernack ließen offensichtlich jeglichen gesellschaftlichen Status in den Hintergrund treten. Da nahm man z. B. den hochgeachteten Dichter Wieland ein wenig auf den Arm, indem man eine Arie aus seinem Singspiel „Alceste" in ein Lustspiel mit dem Titel „Euridice" einbaute. Anna Amalia selbst spielte die Rolle der Euridice. Diese Arie wurde zum allgemeinen Gaudium mit dem Posthorn begleitet, nachdem der begleitende Hofstaat die Postkutsche bestieg, um in den Orkus zu fahren. Der gutmütige Wieland fand dies nicht so lustig, zeigte sich aber zum Souper doch wieder versöhnt.

Die kleinen erheiternden Missgeschicke am Rande solcher Aufführungen sollen hier noch eingeflochten werden:
Hofrat Bode, der in kein Kostüm passte, wurde in ein fleischfarbenes (!) Gewand eingenäht. Prompt platzte es zur Erheiterung aller während der Aufführung.
Bertuch, in der Rolle des eifersüchtigen Ehemanns, sah sich plötzlich einem Kontrahenten gegenüber, der seinen Text vergessen hatte. Geistesgegenwärtig rief Goethe Bertuch zu: "Erstecht ihn auf der Stelle!". Des Rest des Stückes war damit hinfällig.
Die kleine Göchhausen, die in der Rolle der ungehorsamen Tochter von ihrem Vater gezüchtigt werden sollte, bezog richtige Prügel. Ihr Partner, Herr von Wedel, hatte sich so ins Zeug gelegt, dass nun auch sie aus der Rolle fallend, ihm auf offener Bühne erstmal eine Standpauke hielt.
Zweimal die Woche wurde geprobt, danach gespeist, gebechert und gesungen. Die Kutscher und Fackelträger hatten danach alle Hände voll zu tun, ihre Herrschaften durch den holprigen Waldweg - eine Straße gab es damals noch nicht - ins heimatliche Nest zu bringen.

Schloß
Schloß
Nichts konnte die Frohnatur der Herzogin besser kennzeichnen als die Verse, die sie auf eine Steinplatte im Park von Ettersburg eingravieren ließ:
O lasst beim Klange süßer Lieder uns lächelnd durch das Leben gehn,
und sinkt der letzte Tag hernieder, mit diesem Lächeln stille stehn.

1842 - nach der Hochzeit von Carl Alexander, dem Enkel von Großherzog Carl August, ging es ein wenig seriöser zu. Man frönte der Leselust: Deutsche und französische Aufsätze, fremdsprachige Gedichte, dramatische Szenen, Märchen, Novellen, Parabeln u. v. m. wurden vorgetragen. Wen verwundert's, gingen doch der Märchendichter Hans Christian Andersen, der Dramatiker Friedrich Hebbel, der greise Kanzler Friedrich von Müller sowie Johann Peter Eckermann dort oben ein und aus.
Heute ist es still geworden, vorbei sind Spiel, Gesang und Poesie.

Schloss Ettersburg
Schloss Ettersburg
Aber nun stellen Sie sich einmal folgendes vor: Es käme jemand auf die Idee, ein Open-Air-Musical zu organisieren. In der Hauptrolle unser Landesvater, der auch die Regie führt. Alle tragenden Rollen sind mit Ministern in prachtvollen Kostümen besetzt, denen man die Hosentaschen zugenäht hat, damit sie nicht die Hände in diese stecken können („fehlende Kinderstube" höre ich meine in einem Weimarer Pensionat erzogene Tante Ilse sagen). Die Parteivorsitzenden mit ihrem Stab bilden den gemischten Chor oder auch die sich streitende Volksmenge. Und - oh Tücke des Schicksals - wieder muss einer der Darsteller in ein Kostüm eingenäht werden! ... Würde dies nicht ein Riesenerfolg? Die hohe Obrigkeit dürfte über sich selbst lachen und wir, die eigentlich nicht viel zu lachen haben, könnten lauthals mitlachen. So schwebt über allen die schöne Harmonie der Ettersburger Heiterkeit.
Dann ginge es wieder lustig zu in unserem Lustschloss, nicht wahr?

 

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Fotos: Karla Augusta

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