Weimar-Lese

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Zu Gast in Weimar

George Eliot; deutsche Übersetzung: Nadine Erler

Zu den vielen Künstlern, die es nach Weimar zog, gehörte auch die englische Schriftstellerin George Eliot. Im Sommer 1854 verbrachte sie drei Monate im kleinen, doch weltberühmten Städtchen an der Ilm. George Eliots schriftlich festgehaltenen Eindrücke sind äußerst amüsant. Dieser Blick einer Fremden lässt Weimar in anderem Licht erschienen.

Broschüre, 40 Seiten, 2019


Und behalte mich so lieb ...

Und behalte mich so lieb ...

Hermann Multhaupt

Liebesbrief an den Geheimrat

Oft entzieht sich ihr, was ihr Geheimrat gerade tut oder plant. Wenn er auch häusliche Zeiten genießt, so drängt es ihn zuweilen doch wieder in die Öffentlichkeit. Für geologische Studien, Naturbeobachtungen und andere Vorhaben hat Goethe immer ein offenes Ohr und einen wahren Blick; schließlich ist er auch noch Ratgeber und Politiker. Dennoch gibt seine Gesundheit gelegentlich immer wieder Anlass zur Besorgnis. Er neigt zu gelegentlichen Nierenkoliken, hinzu kommen Verdauungsbeschwerden sowie ein seelisches Ungleichgewicht, weshalb sein Arzt Christoph Wilhelm Hufeland den Besuch der böhmischen Bäder empfiehlt.

Die erste Reise nach Karlsbad steht 1785 an; ihr folgen weitere Aufenthalte über die Jahre verteilt. Insgesamt reist er siebzehn Mal zur Kur nach Böhmen und verbringt dort zusammengerechnet mehr als drei Jahre seines Lebens. Und Christiane? Lässt er sie mit dem kleinen August allein? Setzt er sich aus Sorge um sich selbst über alle häuslichen Verpflichtungen hinweg?
Wie generös sie die Distanzen meistert und dabei ihren Mann unangefochten liebt, zeigen ihre Brief, so der vom 6. Oktober 1799 aus Weimar. Goethes Aufenthalt ist in diesem Fall nicht bekannt. Aber Christianes erwartungsvolles Schreiben weiß ihn zu finden:

Dein Brief, mein Lieber, hat mich sehr gefreut. Wir wollen wie immer uns nur recht lieb haben. Ich habe Dich lieb und bin fleißig und tue in allem meine Schuldigkeit. Gefällig bin ich nur gegen alle Menschen zu viel, ich glaube nur, ich bin zu gut, und die Menschen missbrauchen meine Güte. Das habe ich von neuem bei der Marien und Gille erlebt. Ich könnte an ihrer Statt gute Freundinnen genug haben, aber ich werde immer misstrauischer gen alle Menschen, weil sie nur immer aus Interesse mit mir umgehen. Ich werde es freilich nicht anders machen.

Ich will mich also darüber wegsetzen und meinen Weg vor mich gehen, meine Haushaltung gut versehen und meinen Schatz lieb haben, und meine Freude an dem Buben sehen, und dann mannichmal eine steife Kaffee-Visite machen. Ich bin jetzt bei Kammer-Sekretär Scheiben gewesen und bei Gerichts-Sekretär Rentschens. Da kann ich Dir aber versichern, dass in solcher Gesellschaft beinahe kein vernünftiges Wort gesprochen wird und so gelogen wird, dass man erschrickt; wovon ich Dir allerlei zu erzählen habe. Denn ich glaube, wenn Du wiederkommst, kommt auch meine frohe Laune wieder. Ich freu mich schon im Voraus auf das Stück, ob ich es gleich nicht kenne. Und wenn Du vergnügt bist, das ist mir lieber als alles.

Du schreibst mir, dass Du den 13. kommen willst, das ist gerade auf den Zwiebeljahrmarkt; da wär‘ es besser, Du kämst einen Tag früher oder später. Doch wenn Du auch diesen Tag kommen willst, sollst Du mir lieb sein, ich habe es nur zu deiner Nachricht geschrieben. Heute Nachmittag gehe ich zu der Kammerdiener Kämpfern und auf den Abend in die Komödie. Mit meinem Obst bin ich sehr zufrieden, dass ich es behalten habe; es wird mir vor diesem Winter großen Nutzen bringen. Auf künftige Woche werde ich Muß kochen. Hier sind gar keine Nüsse mit Schalen zu haben; könntest Du mir Mittwoch etwas mitschicken, so geschähe mir ein großer Gefalle, ich muss grüne Schalen ins Muß haben.

Ich freu mich diesen Winter auf die Komödie, wenn wir auf der Bank zusammen sitzen werden, und überhaupt auch auf die Winterabende, wenn wir zu Hause miteinander schwätzen. Leb wohl und vergnügt und behalte mich so lieb wie ich Dich ...

C. V.

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