„Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken [...]"
(aus: Paul Celan: Todesfuge)
Die Errichtung des Konzentrationslagers Buchenwald und die damit verbundene Ermordung zahlreicher jüdischer Gefangener und politisch Verfolgter, ist wohl das traurigste Kapitel der Stadt Weimar, sowie des Landes Thüringen.
Auch Fritz Löhner-Beda (eigentlich Friedrich Löwy) und Hermann Leopoldi wurden von der SS inhaftiert und mit dem sogenannten „Prominententransport" am 1. April 1938 ins KZ Dachau und von dort aus weiter ins KZ Buchenwald deportiert. Löhner-Beda erfreute sich beim deutschen Volke äußerster Beliebtheit, schrieb er doch in den 1920er Jahren Gassenhauer wie „Ausgerechnet Bananen...". Verschwiegen wurde aber, dass es sich bei diesem Liedtexter um einen Juden handelte.
Auch im KZ Buchenwald wurde Löhner-Bedas Begabung ausgenutzt: der sogenannte „Schutzhaftlagerführer" Arthur Rödl befahl das Schreiben eines Lagerliedes, welches fortan von den Häftlingen beim Ein- und Auszug gesungen werden musste. Also verfassten die Kabarettisten Löhner-Beda und Leopoldi unten stehenden Text. Doch ist dieser mit Ernst und Trauer behaftet, ruft zum Durchhalten ob der Mühen und Sorgen und der ungewissen Zukunft auf.
Normalerweise sollte ein Lied, auch durch die Melodie, die Gefühle in reinster und intensiver Form wiedergeben. Auf perfide Art und Weise ist die Melodie in Marschform geschrieben, die dem Inhalt des Textes entgegensteht. Dies zeugt einmal mehr von der böswilligen Gesinnung und der quälenden Unterdrückung der Häftlinge durch das NS-Regime, denn nicht nur der höchst unmenschliche Plan der „Vernichtung durch Arbeit", sondern auch ein dafür erzwungen gedichteter Marsch, sind Ausdruck für eine Form des Verbrechens an der Menschheit, für die man keine Worte finden kann. Ebenso wie die Metapher der „schwarzen Milch", von Celan erdacht, entstehen durch das Lied Gegensätze: Während die „Milch" durch das Adjektiv „schwarz" in ihr Gegenteil als todbringend gekehrt wird, stehen sich auch die Marschmusik (dieser Marsch mutet nicht als Trauermarsch an) und der Inhalt des Liedes antagonistisch gegenüber. Etwas Unaussprechliches wird Kraft der Metapher ausgesprochen.
Für Löhner-Beda nahm der spätere Aufenthalt im KZ Auschwitz ein tragisches Ende: er wurde, da er sich nur noch schwach dahinschleppen konnte und somit kurzerhand für arbeitsunfähig erklärt wurde, zusammengeschlagen und starb an den Folgen der Verletzungen. Löhners Familie wurde im Vernichtungslager Maly Trostinez in Minsk ermordet. Leopoldi überlebte: seiner Familie gelang es, ihn aus den Fängen der Nazis freizukaufen. Er folgte der Familie nach New York.
Der Text soll hier an dieser Stelle nochmals an alle politisch Verfolgten, die in den Konzentrationslagern des NS-Regimes zu Grunde gerichtet wurden, deren Familien auseinandergerissen wurden und denen, die ihr Leben infolge des Holocausts lassen mussten, erinnern. Er soll eines der Mahnmale, ein verschriftlichter Zeitzeuge der Ungeheuerlichkeit eines unbegreiflichen Verbrechens an der Menschheit, sein.
Den Liedtext und Bilder finden Sie auf http://claude.torres1.perso.sfr.fr/GhettosCamps/Camps/LeopoldiBuchenwaldLied.html