Weimar-Lese

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Reden wir von der Liebe

Florian Russi (Hrsg.)

Liebe ist ein Thema, das jeden berührt...Ein manchmal ernüchterndes und zugleich poetisches Buch.

Weimar im dreißigjährigen Krieg

Weimar im dreißigjährigen Krieg

Carolin Eberhardt

Die ersten zwei Dekaden

Während des ersten Drittels des 30-jährigen Krieges blieb das Fürstentum Weimar, im Vergleich zu anderen thüringischen Gebieten, und trotz vermehrter Durchzüge des Kriegsgeschehens weitestgehend von größeren Schäden verschont. Dennoch verlangte der Krieg auch dem weimarischen Fürstenhaus einige Entbehrungen ab. Insgesamt sieben Prinzen aus Weimar kämpften auf protestantischer Seite an vorderster Front. Johann Ernst, der älteste Bruder, sowie Friedrich fanden in den Kämpfen sogar ihren vorzeitigen Tod. Johann Ernst diente unter dem Grafen von Mansfeld und fiel bei Fleury, Friedrich starb als dänischer Generalfeldoberster 1626 in St. Martin (Ungarn). Der zweitälteste Bruder Herzog Wilhelm stand im Dienst des Pfalzgrafen Friedrich an der Front bei Prag. Später diente er den Parteigängern Ernst von Mansfeld, Georg Friedrich von Baden und Herzog Christian von Braunschweig, geriet aber 1624 bei Stadtlohn gemeinsam mit seinem Vetter Herzog Friedrich von Altenburg schwer verwundet in kaiserliche Gefangenschaft, in deren Rahmen die beiden Fürsten nach Neustadt/Steiermark verbracht wurden. Nach nicht weniger als zwei Jahren kehrte der Weimarer Prinz nach der kaiserlichen Begnadigung in seine Heimatstadt Weimar zurück, schloss sich aber kurze Zeit darauf als einer der ersten Fürsten dem Regiment des schwedischen Königs an. Der jüngste Bruder Bernard kämpfte bis zu seinem damals als ruhmvoll erachteten Tod 1638 auf dem Feld.

Die rege Beteiligung der Prinzen am aktiven Kriegsgeschehen kann als eine Ursache für die Verschonung des Fürstentums Weimar betrachtet werden. Denn die Prinzen setzen sich dafür ein, dass eine Einquartierung von Soldaten in ihrer Heimat nicht veranlasst wurden. 1623 aber legte Herzog Wilhelm doch einige Truppen auf heimatlichen Boden in dort eingerichtete Winterquartiere. Dies war der Grund, weswegen die vier fürstlichen Brüder am 22. März 1623 eine Übereinkunft trafen, nach welcher sie sich förmlich verpflichteten, weitere Einquartierungen im Fürstentum zu verhindern. Während andere Gebiete bereits sicht –und spürbar von den Gräueln des Krieges gebeutelt waren, konnte Weimar weiterhin nahezu unzerstört überdauern. Auch die Plünderung der damaligen Stadt Rastenberg durch Wallenstein’sche Reiter im Mai 1626 minderte nicht die bis dahin bestehende Unversehrtheit der weimarischen Gebiete. Leider sollte der Frieden auch hier nicht mehr länger aufrechterhalten werden können. Mit extraordinären Erlass des Herzogs Wilhelm von 1629 verfügte er notgedrungen über die Einquartierung kaiserlicher Truppen in seinem Herrschaftsgebiet. Um die Bevölkerung auf die bevorstehenden Herausforderungen vorzubereiten hielt der Herzog die Geistlichkeiten dazu an, in ihren Predigten zu Geduld und Folgsamkeit in Anbetracht der unvermeidlichen und aus äußerster Not erlassenen Kontribution zu ermahnen, welche größeres Unheil und Landesruin verhindern sollte.

Doch die Not und der Mangel war bereits zu diesem Zeitpunkt in der Bevölkerung groß. Selbst das Fürstenhaus konnte seine Lebensmittelversorgung kaum unterhalten. Nicht nur Hunger griff immer weiter um sich, auch die Übergriffe der einquartierten Soldaten auf die Bevölkerung nahm stetig zu. Selbst der Herzog Bernard musste die Erfahrung leidlich am eigenen Leib erfahren. Als er im Dezember 1629 mit dem Schlitten nach Jena fahren wollte, wurde von zwei Reitern zwischen Frankendorf und Hohlstedt überfallen und ausgeraubt. Doch gab sich der Herzog nicht ohne Widerstand mit dieser Begebenheit ab. Die ihm von einem der Räuber bedrohlich vor die Brust gehaltene Waffe schlug er zur Seite, sprang aus dem Schlitten und überwältigte gemeinsam mit seinem Diener beide Räuber, welche sofort an den Galgen in Kapellendorf überführt wurden.

Nach dem Bündnis des Fürstentums Weimar mit Schweden beteiligten sich wiederum die weimarischen Fürsten am Kriegsgeschehen. Nach dem Sieg Gustav Adolfs bei Breitenfeld zog der schwedische König durch Thüringen, machte Herzog Wilhelm zum Statthalter von Erfurt sowie ganz Thüringen und gab ihm die Anweisung, eine starke Armee zu rekrutieren und über diese den Oberbefehl innezuhaben. Doch bereits vor der Schlacht bei Breitenfeld zogen Scharen Tillys durch Thüringen und raubten, plünderten und brandschatzten in verschiedenen Orten. Sogar vor einem Gottesdienst am zweiten Pfingstfesttag machten die Plünderer nicht davor halt, gewaltsam in die Kirche Markvippachs einzudringen und diese, neben vieler anderer Häuser des Ortes, zu plündern.

Im Herbst 1631 und 1632 blieben Bevölkerung und Landschaften der weimarischen Lande während der Durchzüge des schwedischen Königs von weitern Gräueln und Zerstörungen verschont. Die nächsten Jahre waren außerdem geprägt von einer kriegsuntypischen Ruhe, so dass sich bereits erlittene Schäden in dieser Phase des Krieges beheben ließen. Die dramatischsten Dimensionen der im Fürstentum begangenen Kriegsgräuel sollten sich erst ab 1636 einstellen. Diese nahmen ihren Anfang mit der Schlacht bei Nördlingen, welcher mit dem Einfall kroatischer Truppen in die südlich des Thüringer Waldes gelegenen Gebiete. Auf Grund des Separatfriedens zu Prag 1636 mit dem Kaiser, welchem Sachsen und ebenso die drei weimarischen Fürsten Wilhelm, Albrecht und Ernst beigetreten waren, brachen die Schweden – Gustav Adolf war erzürnt über den Verrat seiner einstigen Verbündeten – nach dem Sieg ihrem Sieg über das vereinigte Heer der Kaiserlichen und Sächsischen Truppen bei Wittstock schwere Verwüstungen hinterlassend im einstigen Kursachsen und Thüringen ein. Ab diesem Zeitpunkt bis zum langersehnten Ausgang des Krieges musste Thüringen unter den Verwüstungen und Ausbeutungen der Kriegsgegner und –verbündeten gleichermaßen leiden. Bereits vor dem Einfall der schwedischen Truppen war die finanzielle Lage der thüringischen Regenten katastrophal, Steuern und sonstige Abgaben konnten in den meistheimgesuchten Gebieten nicht mehr geleistet werden. Lediglich die Städte konnte sich durch hohe Geldzahlungen Schutzbriefe von den Heerführen erkaufen. So konnte eine Schonung Weimars und Jena zu Gunsten einer salva guardia aufrechterhalten werden, mit der Folge, dass die Einwohner der umliegenden Dörfer und Ortschaften in den Schutz der Städte flohen.

Nach den Plünderungen der schwedischen Truppen im Winter 1636/37 erschienen kaiserliche Soldaten, um die von den Schweden besetzte Stadt Erfurt zu blockieren. An das ausgeraubte Fürstentum Weimar stellten sie die Forderung einer wöchentlichen Lieferung von 2700 Scheffel Getreide. Zusätzlich erfolgte die Verlegung kursächsischer Truppen zur vollständigen Verpflegung in das Fürstentum. Weiterhin verlangte das Haugwitz’sche Reiterregiment im Zeitraum vom 22. August 1637 bis 16. Juli 1638 einen Aufwand von 53.018 Taler in Geld und Tierfutter. Das Reuschel’sche Regiment brachte es während seines Aufenthalts im Fürstentum vom 16. April bis 24. September 1638 inklusive der angerichteten Verwüstungen und Plünderungen sogar auf Kosten von 70.245 Taler. Neben den genannten fand auch das Anrheim’sche Regiment kurzweilig und gleichzeitig seine Einquartierung auf fürstentümlichen Boden.

Über die Erpressungen des Reuschel’schen Regiments sind von Buttelstedt folgende Beschwerden schriftlich überliefert:

„Obschon jeder Reiter 2 ½ Rthl zum zehntägigen Unterhalt, den Officieren auch ihr hoe Verpflegung verordnet, lassen sich doch die Reiter damit nicht sättigen, sondern erpressen noch ein Grosses an Servisgeld, also auch die Officiere, und werden darüber auch die armen Leute geängstiget, geprügelt und an Leib und Leben beschädiget, ihnen Vieh und Pferde genommen und darum gebracht.“

Dies ist nur eine von vielen Beschwerden der Buttelstedter Einwohner. Die Lebensbedingungen, eh schon zuvor am Existenzminimum, ein ständiger Kampf ums Überleben, verschlechterten sich durch den Einzug der verschiedenen Truppen deutlich, wurde doch selbst den Armen noch ihr letzter Besitz entwendet. Und das nicht nur durch Fußsoldaten, sondern sogar durch ranghöhere Offiziere.

Herzog Wilhelm von Weimar ließ nicht davon ab, sich wiederholt gegen solche Missbräuche zu stellen und wendete sich schließlich mit einem Appell an die Obersten des Regiments, „weil die armen Leute ganz und gar bis auf das Blut auszumergeln und um Gut, Leib, Leben und Gesundheit bringen zu lassen unseres hohen tragenden Amtes wegen nicht verantwortlich sein will“. Weitere bewegende Worte richtete er auch an den Kurfürsten von Sachsen, sind doch seine armen Untertanen „an den meisten Orten in Mangelung Brods sich zur Speise des Grases gebrauchen müssen, inmassen deren viele verschmachteteund das Gras im Mund habend todt gefunden worden, die übrigen aber endlich, wie allbereit an vielen Orten gesehen, das Ihrige gänzlich verlassen und davon gehen.“ In Einigung mit dem sächsischen Fürsten erwirkte Weimar einen positiven Verhandlungsabschluss mit den Offizieren des Reuschel’schen Regiments, welcher den Abzug des Regiments am 22. September unter Ordnung und Disziplin regelte. Jedoch zahlte das Fürstentum Weimar auch hierfür einen hohen Preis. Die in Weimar stationierten Offiziere des Regiments erhielten 2000, die in Jena postierten 1200 Reichsthaler. Da die fürstliche Staatskasse durch die letzten Kriegsjahre bereits aufgerieben war, verpfändete die Stadt Weimar Silbergeschirr, um die zu diesen Summen fehlende Differenz zu generieren. Nicht nur die Kassen des Fürstentums waren über alle Maßen überstrapaziert, auch waren auf Grund der großen Bevölkerungsarmut keine baldigen steuerlichen Einkünfte zu erwarten. Die Kriegshandlungen hatten viel mehr auch dazu geführt, dass insbesondere in der ländlichen Bevölkerung die Anzahl der Einwohner drastisch gesunken war. Um einen Überblick über die aktuelle Lage der Bevölkerungsstruktur zu erlangen, schickte das Fürstentum Weimar zu verschiedenen Zeiten bereits während des Krieges den Auftrag an alle Schlösser, Vögte, Städte und Gerichtsherren heraus, einen Bericht über Einwohnerzahlen der ihnen untergebenen Dörfer zu erstellen. Ebenso sollte die Auflistung die Anzahl der bewohnten Häuser, des vorhandenen Viehs sowie der bestellten und unbestellten Acker enthalten. Die Reporte der zuständigen Beamten waren teils aus Unwissen, teils aus landesherrlichen Absichten, weniger genau und ausführlich, schon gar nicht vollständig. Auf Grund der großen Landflucht während der Kriegsjahre war insbesondere die Volkszählung in der Residenzstadt Weimar, welche am 20. Und 21. April 1640 durchgeführt wurde, von enormer Bedeutung. Die Zählung ergab, dass neben den 2.863 Einwohnern zusätzlich 4.103 Kriegsflüchtige die Stadt besiedelten. Zu diesem Zeitpunkt dauerte der Krieg weitere lange, zermürbende Jahre an, bis er 1648 endlich beendet war.

 

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Textquelle:

Kius, Otto: Zustände während des dreissigjährigen Kriegs und unmittelbar nach demselben im alten Fürstenthum Weimar in: XVI. Programm der Realschule I. Ordnung zu Weimar, Ostern, 1878, Weimar: Druck der Hof-Buchdruckerei.

Weimar Kulturstadt Europas: Statistisches Jahrbuch 2018, S.32

Russi, Florian: Weimars Einwohnerzahlen abgerufen von >https://www.weimar-lese.de/vorgestellt/wissenswertes/weimars-einwohnerzahlen/< am 14.01.2022.

Bildquellen:

Vorschaubild: Stich von Matthäus Merian: Fürstliche Residenz Stadt Weimar (um 1650) via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Johann Ernst von Sachsen-Weimar, 17. Jh., Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar, 1624, Urheber: Peter Isselburg via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Szene aus dem dreißigjährigem Krieg, 1906, Urheber: Josef F Heydendahl via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Herzogtum Sachsen-Weimar, Johann Ernst und seine sechs Brüder (1619–1622), Kipper-Dreibätzner 1619, CVL-Weimar. (Bornemann 1 Var., Slg. Kraaz, Slg. Kernbach 2475, Koppe/Seitz 13), 1619 via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

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