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Das Geheimnis um Schillers Schädel

Das Geheimnis um Schillers Schädel

Carolin Eberhardt

Annährend zwei Jahrhunderte glaubte man, Schillers sterbliche Überreste seien in der Fürstengruft neben Goethe begraben. Doch als ein Forscherteam 2005 eine DNA-Analyse der Gebeine durchführte, wurde festgestellt, es handelt sich nicht um Schillers Knochen. Seit diesem Zeitpunkt ist der Sarg des Dichters leer. Doch wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Sachverhalt? Ein Blick in die Geschichte soll darüber Aufschluss geben.

Nach seinem Ableben 1805 wurde Schillers Leichnam zunächst ohne großes Aufsehen im Gewölbe der Weimarer Landeskasse auf dem Jakobsfriedhof beigesetzt. Erst als 1824 weitere Bestattungen anstanden und aufgrund dessen in besagtem "Kassengewölbe" mehr Platz benötigt wurde, sollte der Schiller-Sarg zu einem würdigeren Begräbnisort überführt werden. Auf Grund des modrigen und fauligen Zustandes der Särge war es aber nicht möglich, Schillers Skelett ausfindig zu machen. Dies hatte zur Folge, dass der Weimarer Bürgermeister Carl Leberecht Schwabe selbst begann, die Überreste Schillers zu suchen. Zu diesem Zweck ließ er durch seine Helfer 23 Schädel aus dem Gewölbe bergen, welche er anhand ihrer Formen und im Vergleich mit Schillers Totenmaske in seinem eigenen Haus analysierte. Dabei fiel seine Wahl auf den wohlgeformtesten und am besten erhaltenen Schädel mit voller Bezahnung. Die restlichen Knochen des Leichnams, so ist aus der Untersuchung der DNA hervorgegangen, gehören mehreren anderen Menschen.

Erste Zweifel über die Echtheit des Schädels wurden bereits 1883 laut, als der Hallenser Anatom Hermann Welcker die öffentliche Behauptung aufstellte, der Schädel Schillers wäre in Wirklichkeit der des Bürgermeisters Carl Paulssen. Doch noch kurioser wurde es, als 1911 der Tübinger Anatom August von Froriep dafür sorgte, dass zukünftig zwei Schiller-Skelette in der Fürstengruft begraben werden sollten. Denn er ließ das unterirdisch unangetastete Kassengewölbe ausgraben, wobei sich 60 menschliche Überreste auffinden ließen. Der von ihm als Schillers Schädel zugeordnete Fund stellte sich allerdings bei einer späteren Untersuchung und Rekonstruktion des dazugehörigen Gesichtes als der Schädel einer Frau heraus.Die Rekonstruktion des zweiten Schädels, welcher durch Schwabe ausgewählt wurde, zeigte dagegen eine große Übereinstimmung.

Das internationale Forscherteam war unter anderem zwei Jahre lang mit der Exhumierung und der Analyse der Knochen von Schillers Schwestern, seiner Ehefrau und seiner Söhne befasst. Letztlich kam es zu dem Ergebnis, dass der Schiller-Sarg die Überreste drei verschiedener Menschen enthielt. Zwei weitere Schiller zugeordnete Schädel aus der Fürstengruft konnte das Team identifizieren. Einer der Totenköpfe gehörte demzufolge dem Großherzog Ernst August, der zweite war der einer sogenannten „buckligen Hofdame“, hinter der sich vermutlich Luise von Göchhausen verbirgt.

Laut der Aussage des Präsidenten der Klassik Stiftung Weimar (2008) wurde davon ausgegangen, dass der Weimarer Mediziner und Unternehmer Professor Ludwig von Froriep, der Großvater des 1911 forschenden Anatoms August von Froriep, den Schädel gezielt vertauscht habe, um das Original untersuchen zu können. Abwegig wäre dieser Vorwurf nicht, denn der Beschuldigte habe über eine Sammlung von ca. 1500 Schädeln verfügt, in welcher kurzzeitig auch die Schädel von Mozart und Haydn zu finden waren. Seine Anwesenheit bei der Beerdigung Schillers 1805 und bei der Ausgrabung der Überreste 1826 in der Funktion des obersten Gesundheitsbeamten Weimars verschärfen diesen Verdacht.

Der Aufenthalt des einzigen und echten Schillerschädels ist trotz der vielzähligen Bemühungen ein Rätsel geblieben. Ein positiver Nebeneffekt der Forschungen sind jedoch neue Informationen in Bezug auf die Schiller-Familie. Das Resultat: laut Genealoge Jahn gebe es wohl weltweit 50.000 Schillers. Die weitläufige Verwandtschaft mit Schiller sei aber nur bei einer geringen Anzahl nachgewiesen wurden. Bei diesen handele es sich um Nachfahren von Schillers Schwester Luise. Auf Grund der umfangreichen Analysen habe man, so der Innsbrucker Gerichtsmediziner Walther Parson, den Schiller-Code ermitteln können, mit dessen Hilfe es möglich sein sollte, den Schiller-Schädel zu identifizieren, falls dieser irgendwann aufgefunden wird.

*****

Textquellen:

Gezielter Austausch des Schädels von Friedrich Schiller vermutet: Focus Online, 05.05.2008 abgerufen von >https://www.focus.de/panorama/vermischtes/schiller-schaedel-gezielter-austausch-des-schaedels-von-friedrich-schiller-vermutet_aid_299743.html< am 16.07.2020.

Dollhopf, Klaus-Dieter: Das doppelte Genie oder: „Wo ist Friedrich Schiller?“: Damals.de, 22.04.2005 abgerufen von > https://www.wissenschaft.de/magazin/weitere-themen/das-doppelte-genie-oder-wo-ist-friedrich-schiller/< am 16.07.2020.

König, Grit: Schillers Sarg ohne Schiller, 17.05.2010, Süddeutsche Zeitung abgerufen von > https://www.sueddeutsche.de/wissen/dna-analyse-schillers-sarg-ohne-schiller-1.191296< am 16.07.2020.


Bildquellen:

Vorschaubild: Friedrich Schillers Totenmaske, 1878, Urheber: O. Weinberg in: Die Gartenlaube via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Schiller Begräbnisstätte, 2013, Urheber: Friedrich Schiller Archiv via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 de.

Särge Goethe und Schiller, 2009, Urheber: Charlie1965nrw via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

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