Herder interpretiert in dem vorliegenden Gedicht die kahlen Winteräste der Bäume als ausgestreckte Arme, welche flehende Hilferufe in den Himmel senden. Nicht nur die Bäume erfahren eine Personifizierung, sondern auch der Frühling wird als hilfebringende Gestalt dargestellt. Das Verlangen der Bäume nach dem herannahenden Frühling stellt sich als Spiegelung der Wünsche Herders dar, denn er fragt „ nur kehret auch mir Frühling und Sonne zurück?“. Naheliegend ist, dass an dieser Stelle mit der Sehnsucht Herders nach dem Frühling eine tiefgreifende emotionale Sehnsucht nach der Liebe zu verstehen ist. Die Frage, ob ihm die Sonne wieder zurückkehrt, lässt vermuten, dass er das Gedicht einem kürzlich erlebten Liebeskummer widmete.
Carolin Eberhardt
Guten Bäume, die ihr die starren entblätterten Arme
Reckt zum Himmel und fleht wieder den Frühling herab!
Ach, ihr müsst noch harren, ihr armen Söhne der Erde,
Manche stürmische Nacht, manchen erstarrenden Tag!
Aber dann kommt wieder die Sonne mit grünendem Frühling
Euch; nur kehret auch mir Frühling und Sonne zurück?
Harre geduldig, Herz, und birg in die Wurzel den Saft dir!
Unvermutet vielleicht treibt ihn das Schicksal empor.
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Bildquelle:
Vorschaubild: Verschneiter Hügel auf dem Inselsberg; Carolin Eberhardt.
Herz im Winter, 2017, Urheber: reichdernatur via Pixabay CCO.