Der Marstall befindet sich unmittelbar neben dem Residenzschloss und in der näheren Umgebung des Goethe- und Schiller- Archivs. Seit dem 15. Jahrhundert befanden sich auf diesem Platz Wirtschaftsgebäude und Pferdeställe.
Im Jahr 1816 beauftragte Herzog Carl August den Bau eines dreiflügeligen Komplexes. Doch erst dessen Enkel Großherzog Carl Alexander führte den Bau im Stil der Neurenaissance bis in das Jahr 1859 fort. Von 1873 bis 1878 wurde der Komplex mit dem Bau einer Reithalle abgeschlossen.
Nach der Abdankung der herzoglichen Familie, bedingt durch die Novemberrevolution von 1918, diente der Komplex zunächst einer provisorischen Landesregierung für die Landesverwaltung und anschließend als Sitz der Ministerien für Volksbildung und Justiz.
Ab dem Jahr 1936 fungierte der Komplex als Thüringer Zentrale der geheimen Staatspolizei, einer politischen Polizei in der Zeit des Nationalsozialismus.
Folter und Aussagen unter Zwang gehörten zur Praxis dieser Behörde. Hierzu wurde eine doppelwandig isolierte Vernehmungszelle in eine extra erbaute Verwaltungsbaracke auf dem Innenhof integriert. Direkt neben der Verwaltungsbaracke wurde ein Gefängnis mit zwölf Zellen errichtet und als dieses wenig später für die immer steigende Zahl an Gefangenen nicht mehr ausreichte, ist im Hauptgebäude des Marstalls ein weiteres Gefängnis errichtet worden. Alle diese Arbeiten wurden vom Reich mit etlichen tausend Reichsmark bezahlt und durch Häftlinge des KZ-Buchenwald durchgeführt.
Die meist politischen Häftlinge des Gefängnisses wurden in diesem Gebäude grausam gequält und gefoltert. So zum Beispiel wurden die Häftlinge in der Zentrale der Gestapo immer wieder mit glühenden Zigaretten und unzähligen Stockschlägen gefoltert. Viele wurden ohne Nahrung in eine 0,70m * 1,40m kleine Zelle eingesperrt und mussten dort oft mehrere Tage bei 50 Grad Celsius ausharren.
Im Frühjahr des Jahres 1942 begann die geheime Staatspolizei mit der Deportation aller jüdischen Einwohner der Stadt. Diese wurden in die Reithalle des Marstalls gepfercht und anschließend in Vernichtungslager überführt.
Anfang April 1945 näherte sich die US-amerikanische Armee. Die geheime Staatspolizei verließ das Gebäude und alle Gefangenen wurden am späten Nachmittag des 4. April zusammen mit Häftlingen aus anderen Gefängnissen auf Wagen verladen. Sie wurden im Waldstück Webicht, nordöstlich der Stadt, hinterrücks erschossen und in Bombentrichtern verscharrt.
Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges sind die von den KZ-Häftlingen errichteten Baracken auf dem Innenhof des Marstalls durch die sowjetischen Besatzungsbehörden auf ähnliche Weise benutzt worden.
Sechs Jahre später bezog das heutige Thüringische Hauptstaatsarchiv den Komplex und nutzt seit dem das Gebäude als Archiv von Behördenakten, speziellen Dokumenten wissenschaftlicher Institutionen und wertvollen Handschriften.
Wenige Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer fehlte es für die zu archivierenden Dokumente an Platz. Die provisorische Verwaltungsbaracke und das Gefängnis auf dem Innenhof wurden abgetragen und zerschreddert um ein weiteres Archiv als Tiefenmagazin im Boden des Innenhofes zu errichten. Die zerschredderten Überreste der beiden ehemaligen Gebäude wurden nach der Fertigstellung des Tiefenmagazins, im Jahr 1997 als Grundriss im Bodenbelag auf dem Innenhof installiert.
Adresse: Marstallstraße 2, 99423 Weimar
Telefon: 03643/8700
Öffnungszeiten: Mo - Mi 8.00 - 16.00 Uhr | Do 8.00 - 18.00 Uhr (Stand: Okt. 2012)
Fotos: Andreas Werner