Der in Dresden geborene Schauspieler, Theaterregisseur und – intendant ist seit 2013 als Generalintendant am Deutschen Nationaltheater in Weimar beschäftigt. In einem Interview mit der Weimar-Lese beantwortete er einige sehr interessante Fragen zu seinem Schaffen und Wirken. Auch gab er darin Aufschluss über seine Vorstellung der Zukunft des deutschen Theaters.
1. Wie sind Sie vom Maschinen - und Anlagenmonteur zur Schauspielausbildung an der Theaterhochschule in Leipzig gekommen? War es schon immer Ihr Traum, sich beruflich in diese Richtung zu orientieren?
Weber: Die Ingenieursrichtung hat mich schon während der Ausbildung nicht gereizt. Es war so, dass ich einen Studienplatz auf Lehramt in Deutsch und Geschichte sicher hatte. Bereits zu dieser Zeit war ich am Amateurtheater in Dresden aktiv. Der Schritt zur Schauspielausbildung war davon aber unabhängig. Es war eher eine spontane Entscheidung. Während meiner Dienstzeit in der Armee, wurde ich auf eine Annonce der Theaterhochschule in Leipzig in der Zeitung aufmerksam, in welcher sie Bewerber*innen suchen. Das klang für mich sehr interessant, und so entschied ich mich dafür, dies zu probieren. Die Entscheidung, diese Ausbildung aufzunehmen, war also wirklich sehr spontan und ist sehr spät erst zustande gekommen. Es war also nicht so, dass ich den Wunsch, Schauspieler zu werden, bereits als Kind hatte.
2. Wie sind Sie zum DNT in Weimar gekommen?
Weber: Vorher war ich lange Zeit in Dresden, dann in Stuttgart Intendant im Schauspiel und habe entschieden, nach acht Jahren Tätigkeit von dort zu wechseln. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, ein Jahr zwischendrin mit der Familie frei zunehmen. Allerdings gab es dann eine Anfrage aus Weimar. Daraufhin habe ich mich hier in das Bewerbungsverfahren eingebracht und das DNT Weimar ist meine nächste Schaffensstation geworden. Mein Vertrag geht jetzt noch bis 2027, das wären dann insgesamt 14 Jahre Tätigkeit als Generalintendant, eine sehr lange Zeit.
3. Mit welcher Ihrer bisherigen Rollen konnten Sie sich am besten identifizieren und warum?
Weber: Ich war gar nicht so lange als Schauspieler tätig. Bereits während des Studiums habe ich angefangen, einige Regieversuche zu unternehmen. Dann haben wir die Studiogruppe in ehemals Karlmarxstadt, heute Chemnitz, gehabt, die sich zu einer eigenen Theatergruppe weiterentwickelte, die Dramatische Brigade. Meine Tätigkeit in dieser war eine Mischung aus Spiel, Regieführen und Organisieren in allen Bereichen. Meine ersten Regiearbeiten sind also entstanden, als ich das Studium noch gar nicht beendet hatte. Insofern ist die Erfahrung als Schauspieler schon lange her. Ich bin dann zwar als Schauspieler nach Dresden gegangen, aber die Richtung war eine andere. Was mir immer Spaß gemacht hat, war, wenn jemand ausfiel, Rollen in den eigenen Inszenierungen kurzfristig zu übernehmen. Die Frage kann ich dennoch nicht konkret beantworten. Ich bin nicht mehr als Schauspieler tätig. Man hat es gelernt und ist es dann vielleicht auch, aber in der Praxis habe ich inzwischen viel zu viel Respekt vor der Energieleistung, die man als Schauspieler heutzutage aufbringen muss, um sich auf die Bühne zu stellen, die Konzentration aufzubringen. Das schüttelt man nicht aus dem Handgelenk. Ich habe da eher einen „Retterstatus“. Wenn jemand ausfällt, stehe ich gern als Ersatz zur Verfügung. Das ist natürlich auch adrenalingetragen. Ansonsten habe ich meine letzte Rolle in den 90er Jahren als Schauspieler wahrgenommen. Das möchte ich heute nicht wieder aufgreifen.
4. Auf welche Ihrer Inszenierungen blicken Sie mit dem größten Stolz zurück?
Weber: Stolz ist eine schwierige Kategorie. Wenn man es maßgeblich nennen würde, wäre das in jedem Fall die Inszenierung „Brandt“ von Ibsen in Stuttgart. Das ist eine Arbeit aus einer ganzen Reihe, die ich auf biomechanischer Grundlage und sehr körperintensiv gestaltet hatte. Dort hat irgendwie alles gepasst. Der Brandt wurde übrigens von Philipp Otto gespielt, der nun auch hier am DNT in Weimar tätig ist. In jüngerer Vergangenheit würde ich „A Clockwork Orange“ dazu zählen. Um weitere Beispiele zu nennen, müsste ich zunächst einen Kontext aufmachen, warum welche Inszenierung maßgeblich war. Mittlerweile sind einige Stücke zusammengekommen. Prinzipiell bleibt man seinem Stil treu. Natürlich blickt man auch auf Inszenierungen zurück, die nicht so gut gelungen sind. Was noch als außergewöhnlich für mich zu erwähnen bliebe, wäre die Inszenierung von „Nathan der Weise“, einmal in Mannheim, einmal in Weimar. Die Aufführungen waren sehr unterschiedlich. In Mannheim spielte Jürgen Holz den Nathan, hier in Weimar übernahm die Rolle Sebastian Kowski, auch ein langer Wegbegleiter. Die Neuinszenierung stellte vor dem Hintergrund der Neuinterpretation des Textes keine Schwierigkeit dar, zumal die Inszenierung in Mannheim bereits in den 2000er Jahren aufgeführt wurde. In Weimar fand die Aufführung „Nathan der Weise“ zwanzig Jahre später statt. Zwischenzeitlich hat sich die Welt mehrfach gedreht, es ist einiges in der Welt passiert. Insofern ist es sogar einfacher, eine zweite Inszenierung zu entwerfen, weil ein tiefgreifendes Verständnis des Textes vorhanden ist.
5. Wie sehen Sie die Zukunft des Theaters in Deutschland, im speziellen des DNT Weimar, mit Blick auf seine gesellschaftliche Relevanz, die Finanzierung von Kultur und die Digitalisierung? Wohin geht die Reise?
Weber: Der Umgang mit den Medien im Theater findet nicht erst heute statt. Bereits in der Vergangenheit wurden mediale Elemente in die Inszenierungen eingebunden. Video gehört in das Theater, wenn es gut gedacht ist. Ansonsten ist es Kolorit und überflüssig. Ich würde die Zukunftsfragen des Theaters nicht an den technischen Fragen oder generell Fragen der Digitalisierung festmachen, sondern viel mehr auf die gesellschaftliche Relevanz eingehen. Die Begriffe Bildung und Kultur sollten in unserer Gesellschaft enger verknüpft werden, so dass diese Bereiche nicht, wie es in Corona-Zeiten deutlich geworden ist, mit all ihren Problemen, aber auch all ihren Standards weiter nebeneinander herlaufen. Vielmehr sollten gemeinsame Gedanken gefasst werden, die Bereiche miteinander zu verknüpfen. Die Frage, die auf kulturpolitischer Ebene, auf Landesebene, auf kommunaler Ebene, diskutiert werden sollte, ist die, wie man die Potentiale, die in Deutschland wahnsinnig groß sind, verschränkt und daraus gemeinsamen Nutzen zieht. Für mich persönlich liegt die Zukunft des Theaters ganz klar darin, der Generationsfrage gerecht zu werden, eine Hinwendung zu den nachfolgenden Generationen zu erreichen. Insbesondere Kinder und Jugendliche für das Theater zu begeistern, aber nicht vorrangig, um sie als zukünftige Theaterbesucher*innen zu gewinnen, sondern die heranwachsenden Generationen für diesen besonderen, dem Theater eigenen, Umgang mit der Realität, zu sensibilisieren. Da wird heute schon viel unternommen, aber dennoch ist noch sehr viel Potential vorhanden. Es gibt hunderttausende Kinder in Deutschland, die noch nie im Theater waren, es wahrscheinlich auch nie schaffen werden, weil es gar keine Einladung gibt oder die Möglichkeiten nicht vorhanden sind.
Ansonsten muss in der Zukunftsfrage abgewartet werden, wie die Gesellschaft sich ausbalanciert. Das Selbstverständnis einer Stadt oder einer Region spielt bei der Gestaltung des Theaters eine große Rolle. Kultur ist nicht nur Theater, Orchester, Museen, sondern Kultur ist das gesamte Zusammenleben. Da gehört der Sport dazu, aber auch die digitale Kommunikation. Kultur ist einer ständigen Entwicklung unterworfen. Und wie ein jeder seinen Platz findet und wie verschiedene kulturelle Sparten als wertig angesehen werden, das bestimmt auch die öffentliche Wahrnehmung. In gewisser Weise kann diese gefüttert oder gelenkt werden und ihr Blick auf das Theater gerichtet werden. Allerdings entwickelt sich diese Wahrnehmung zum Teil auch unabhängig von den Einrichtungen. Ich bin da gar nicht pessimistisch, bin aber sehr gespannt, in welche Richtung sich Kultur entwickeln wird, wie sie gesellschaftlich in fünf bis sechs Jahren betrachtet wird. Wir beleben hier eine große Architektur in einer nicht allzu großen Stadt und allein das ist schon ein Widerspruch. Ein Haus mit 900 Plätzen in einer 65.000-Einwohner-Stadt, ein Mehrspartentheater mit Schauspiel, Oper, Orchester zu platzieren, das ist eben keine Selbstverständlichkeit. Das sollte es immer sein, aber die Selbstverständlichkeit ist hier der Idealzustand, der immer wieder angestrebt werden muss. Die Perspektiven auf Kultur, auf das DNT, sind in der Bevölkerung vermutlich so vielzählig, wie die Einwohner*innen selbst. Welcher Bereich hat denn heutzutage keine Not anzumelden? Und da wird es Entscheidungen brauchen, wohin sich diese Gesellschaft wendet. Ich finde es wichtig, dass man die verschiedenen Bereiche gemeinsam sieht und nicht jeder seine eigene Bugwelle lostritt.
Vielen Dank für Ihre Zeit und das interessante Interview.
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Foto: © Candy Welz.