Blickt man durch das geöffnete Fenster des ehrwürdigen Hauses der Frau von Stein fällt einem sofort ein Spruch ins Auge: „Ich meine alles ganz anders". Das dazu gehörige Augenzwinkern verkörpert der Hausherr persönlich: Stoppelhaarschnitt, verschmitzt blickende Augen hinter runden Brillengläsern, immer einen flotten Spruch auf den Lippen und ein „Genusszigarettchen" in der Hand, so öffnet Dr. Konrad Paul die Pforten zu seinen heiligen Hallen, dem Goetheinstitut.
„Deutsch lernen, Kultur erleben" ist der Slogan des weltweit ansässigen Institutes und wo wenn nicht in Weimar, der vom Geiste der Klassik durchdrungenen Stadt, lässt sich dies am besten verwirklichen! Und auch die Räumlichkeiten könnten passender nicht sein: das Haus der Frau von Stein - kein anderes Gebäude in dieser Stadt hat wohl den großen Goethe so oft kommen und gehen sehen (in welcher Mission auch immer), wie dieses.
Der Angebotskatalog ist groß und vielschichtig: Sprachkurse auf hohem Niveau, Ausstellungen, Vorträge, Veranstaltungen in Kooperation mit kulturellen Institutionen und Bildungseinrichtungen der Stadt ... ein überaus erfolgreiches Konzept mit einem funktionierendem Netzwerk. Das war nicht immer so.
Als Konrad Paul 1996 die Leitung des Goetheinstitutes übernahm war dies: „ein potjomkinsches Dorf und ich der Graf". Eine Art geistige Baustelle, die mehr schlecht als recht vor sich hin dümpelte. Doch den studierten Germanisten und Historiker schreckte das nicht. Schon in seiner Zeit als Lektoratsleiter des damaligen Aufbau Verlages hatte er den Ruf eines „Hans Dampf in allen (literarischen) Gassen". Frei nach dem Motto „ Wenn die toten Hunde schlafen muss man die Lebenden bellen lassen" veranstaltete er Autorenlesungen, die bald als Geheimtipp in der intellektuellen Szene galten. Von Christa Wolf über Günter Kunert bis hin zu Erwin Strittmatter - er holte sie alle und sie kamen gern.
Ein Organisationstalent durch und durch, Konrad Paul fiel es also nicht schwer, seiner neuen Wirkungsstätte ein frisches Gesicht zu verleihen. Mit Marlene Dietrich, kühl, blond, lasziver Schlafzimmerblick und Traum aller Männer jenseits der 60, rückte er das Goetheinstitut fast schlagartig in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, einer Mischung aus Sensation und öffentlichem Ärgerniss: „Ich dachte, Greenpeace macht `ne Nacktdemonstration weil ein Haufen Damen im Nerz auftauchten!" Einzigartig auch der bewaffnete (!) nächtliche Sicherheitsdienst - die Diva hätt`s gefreut.
Sie, die den Augenaufschlag schon recht früh beherrschte, mit 16 einem jungen Studienrat so den Kopf verdrehte, dass es ihn seine Anstellung kostete, schrieb mit 17 in ihr Tagebuch: " Sonnabend und Sonntag küsse ich mich immer satt für die Woche. Eigentlich müsste ich mich recht schämen. (...) Für meine grenzenlose Sinnlichkeit kann ich ja aber nichts". In Weimar, im besagten Haus der Frau von Stein, teilte sich die Dietrich mit 5 anderen Mädchen in Weimar ein Pensionszimmer, Zigaretten und Sahnetörtchen ... nur Robert Reitz, ihren Violinprofessor, vernaschte sie ganz allein.
Marlene hängt immer noch im Eingangsbereich und blickt mit leicht arrogantem Divenblick über das, was gerade aktuell geschieht. „Schiller" heißt das Zauberwort und anlässlich des Schillerjahres „schillert" auch ein Konrad Paul kräftig mit: „Schiller-Male 2009" heißt die derzeitige Ausstellung und ist ganz im Sinne seines Initiators: Mit einer gehörigen Prise Humor, die vom Hausherren persönlich hätte stammen können, haben sich Künstler mit ironischer Distanz dem Stürmer und Dränger angenommen und ihre ganz eigene Sicht auf ihn, sein Tun und seine Werke visualisiert.
Konrad Paul ist ein exzellenter Kenner des klassischen Erbes aber das Goetheinstitut ist nicht die einzige Spielwiese auf der er umtriebig ist: sei es als stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Israelischen-Gesellschaft Weimar, oder als Moderator, oder als Podiumsgast auf diversen Veranstaltungen -man sieht ihn schier überall. Wie bei Hase und Igel könnte man fast meinen ihn rufen zu hören: „Ich bin all hie!" - und das natürlich mit dem altbekannten liebenswerten Augenzwinkern, das zu sagen scheint: „Ich meine alles ganz anders"!
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Fotos: Antje Genth-Wagner
Weimar
Frage: Wann waren Sie das erste Mal in Weimar?
Antwort: 1963, als ich mein Praktikum beim Volksverlag, späterer Aufbau Verlag, machte
Frage: Wie war Ihr erster Eindruck?
Antwort: Beeindruckt! Goethe, Schiller und Konsorten ... und dann die Provinz
Frage: Haben Sie einen Lieblingsplatz in Weimar? (Lieblingsgebäude, Lieblingscafé oder Ähnliches)
Antwort: Kneipen, Kneipen und .... Kneipen
Frage: Wer ist für Sie die bedeutendste Person in Weimar? (der Vergangenheit und/oder der Gegenwart)
Antwort: Nachdenklich: Weimar ohne Goethe geht nicht ... aber Dali könnte es auch sein ... gegen Schiller hab ich aber auch nichts ...
Frage: Welche Projekte o. Ä. haben Sie in Weimar durchgeführt?
Antwort: Ein Buch für die Malschule, beim Aufbau Verlag Autorenlesungen, Podien ... also immer im Gespräch bleiben ... sich Fetzen ist sooo schön!
Persönliches
Frage: Wo ist Ihre Heimat? Was verbinden Sie mit ihrer Heimat?
Antwort: Heimat ist da wo ich lebe und arbeite
Frage: Was ist für Sie das größte Glück?
Antwort: Mir sind mehrere kleine Glücke lieber als ein einziges Großes
Frage: Welche Ziele haben Sie bisher erreicht?
Antwort: Weiß ich nicht
Frage: Welche Ziele haben Sie für die Zukunft?
Antwort: Ich möchte auf die Art und Weise wie ich jetzt arbeite noch weiter arbeiten
Frage: Haben Sie schon einmal etwas bereut?
Antwort: Aber natürlich ... schelmisches Grinsen
Frage: Was war für Sie ihr größter Erfolg?
Antwort: Das Abi
Frage: Welches Land, das Sie bisher besucht haben, war für Sie das Beeindruckendste (und warum)?
Antwort: Eigentlich habe ich mich überall wohlgefühlt, aber ... Italien, ja, Italien wegen der Pasta mit den verschiedenen Saucen
Frage: Welches Land möchten Sie unbedingt noch besuchen (und warum)?
Antwort: USA, das Lebensgefühl kennenlernen. Alle sagen, ich wäre genauso lustig wie die Amis, wir passen zusammen
Frage: Welche drei Bücher würden Sie mitnehmen auf eine einsame Insel?
Antwort: „Jötens" Gedichte, Shakespeares Dramen und einen knallharten Krimi
Frage: Beabsichtigen Sie, selbst noch ein Buch zu schreiben?
Antwort: I don`t know ... Eher lieber nicht! Wenn manche Leute wüßten, was ich weiß, würde ich nicht mehr leben