Christian Joseph Jagemann wurde im Jahre 1735 in Dingelstedt im katholischen Eichsfeld geboren. Nach der Schulzeit ließen die Eltern ihren Sohn entgegen seinem Willen im Erfurter Augustinerkloster als Mönch ausbilden, doch vor der Weihe gelang dem 18-jährigen Novizen die Flucht über Hamburg nach Dänemark. Dort konnte er dank verwandtschaftlicher Beziehungen seinen Unterhalt als Hauslehrer verdienen. Nach zwei Jahren kehrte Jagemann auf den elterlichen Bauernhof nach Dingelstedt zurück. Als Büßer pilgerte er nach Rom, um die Dispensation durch Papst Benedikt XIV. zu erlangen. Jahre geduldigen Wartens folgten. Jagemann erhielt die Erlaubnis, als Beichtvater am Hof des Großherzogs Peter Leopold und als sogenannter Weltgeistlicher für die Deutschen in Florenz zu wirken. In Anerkennung seines Wissens auf dem Gebiet der Kunst und der Verbreitung deutscher Literatur ernannte ihn die Accademia della Crusca zu ihrem Mitglied. Unter einem italienischen Beinamen verfasste Jagemann umfangreiche Schriften, darunter zu Dante und Machiavelli. Auf eine Anstellung in der Heimat hoffend kehrte er nach 17 Jahren zurück.
Im Erzbistum Mainz strebte Kurfürst Emmerich Joseph eine Schulreform an. Sein Statthalter in Erfurt, Carl Theodor von Dalberg, ernannte Christian Joseph Jagemann am 5. Januar 1774 zum Direktor des Gymnasium Emmericianum. Als der Kurfürst am 11. Juni starb, wurden die Ideen der Aufklärung für verfassungswidrig erklärt und Jagemann geriet zwischen die Fronten. Im November 1774 wurde er entlassen. Dank Vermittlung Dalbergs erhielt er Gelegenheit, von Januar bis März 1775 die Weimarer Herzogin Anna Amalia in italienischer Sprache zu unterrichten. Dies geht aus den von Hofrat Hieronymus Dietrich Berendis verwalteten Schatullrechnungen hervor.
Jagemann konvertierte zum protestantischen Glauben. Am 25. August 1775 ernannte Anna Amalia ihn zum „Bibliothecario" ihrer Privatbibliothek. Als Literaturwissenschaftler und Linguist machte Jagemann nun die italienische Kultur in Deutschland bekannt. Er veröffentlichte eine zweite Auflage von Johann Nicolaus Meinhards Versuche über den Charakter und die Werke der besten italienischen Dichter, fertigte Übersetzungen an, verfasste ein bedeutsames zweisprachiges Wörterbuch und zwei italienische Sprachlehren. Von 1780 bis 1785 erschien sein achtbändiges Magazin der italienischen Literatur und Künste. Jagemanns Gazzetta di Weimar (1787-1789) war die erste Zeitschrift in italienischer Sprache. Seine in Christoph Martin Wielands Teutschem Merkur veröffentlichten Briefe über Italien prägten die Elite der Residenzstadt, bei der die Liebe zur italienischen Sprache und Kultur besonders stark ausgeprägt war. Erinnert sei an die Italienreisen Johann Wolfgang von Goethes, Anna Amalias, Johann Gottfried Herders, Johann Heinrich Meyers und anderer. 1785 gründete der Weimarer Verleger und Mäzen Friedrich Justin Bertuch die Allgemeine Literatur-Zeitung, ab 1786 gab er gemeinsam mit Karl Melchior Kraus das renommierte Journal des Luxus und der Moden heraus. Ziel war die ästhetische Bildung und Erziehung der Zeitgenossen.
Quellen: Jörn Albrecht und Peter Kofler, Die Italianistik in der Weimarer Klassik: das Leben und Werk von Christian Joseph Jagemann (1735-1804). Gunter Narr Verlag Tübingen 2006 Annette Seemann, Anna Amalia - Herzogin von Weimar. Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 2007 Rolf Haage, Weimar: Ein Führer durch die Stadt. Sutton Verlag GmbH Erfurt 2011
( 1 ) zitiert nach: Johann Wolfgang von Goethe, Berliner Ausgabe.
Abbildungsnachweis: ( 1 ) Porträt Jagemanns nach Frontispiz aus seinem Deutsch-Italienischem Wörterbuch ( 2 ) Titel-Vignette zu C. J. Jagemanns zweisprachigem Wörterbuch ( 3 ) J. H. W. Tischbein, Anna Amalia in Pompeji (1789), |