Weimar-Lese

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Reden wir von der Liebe

Reden wir von der Liebe

Florian Russi hat sich diesem Unterfangen gestellt und vieles zusammengetragen, was in der Welt über die Liebe gedacht, gesagt, gesungen und geschrieben wurde. Ohne Umschweife erzählt er aus Mythen und Sagen, stellt berühmte Paare vor und beschreibt ihr oft abenteuerliches Liebesleben.

Graveurmeister Manfred Pennewitz

Graveurmeister Manfred Pennewitz

Wolfgang Müller

Ruft man in Weimar die Telefonnummer 850217 an, meldet sich am anderen Ende der Leitung mit sonorig-klangvoller Stimme: Manfred Pennewitz, Graveurmeister. Man stutzt und überlegt: „Graveur" ist das ein Name, ein Beruf, eine Stadt in Italien? In unserer modernen Zeit kennt man als Berufe Mechatroniker, Controller, Servicemechaniker oder Intranetspezialisten u.a. - aber Graveur? Wie oft in solchen Fällen hilft uns der Brockhaus Nr. 5 von 1954: Gravieren (franz. Aus lat.-griech. Graphium „Griffel"). Und damit sind wir schon beim Hauptinstrument oder Werkzeug des Graveurs - dem Stichel. Mit diesem Arbeitsmittel in verschiedener Form wird beim gravieren von Hand der Werkstoff vom Graveur aus dem Werkstück herausgearbeitet. Hergestellt werden so Prägestempel für Münzen, Stempelplatten für Abdrucke in Farbe, Kupferplatten für den Druck von Urkunden, Bank- und Musiknoten uvam.

Manfred Pennewitz hat am Eingang zu seiner Werkstatt in der Marktstraße 9 in Weimar u.a. stehen: „Handwerk und Kunst". Damit verdeutlicht er die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Graveurs, denn er muss Hand- und Fingergeschicklichkeit, Augenmaß, Formensinn, zeichnerische Begabung und viel Gefühl besitzen. All diese Voraussetzungen für kunstvolle Graveurarbeiten hat sich der in Erfurt geborene Manfred Pennewitz angeeignet. Der Meisterbrief trägt die Jahreszahl 1966. Seit diesem Jahr ist er in Weimar ansässig. Mehrere Generationen haben seine Kunst bewundert und viele Ehepaare tragen Ringe aus seiner Werkstatt. Besonders seine Arbeiten im Bereich der Monogrammgravur und der Herstellung von Silbergegenständen mit Familienwappen haben ihn zu einem gefragten Kunsthandwerker werden lassen.

Pennewitz bei der Arbeit
Pennewitz bei der Arbeit

Sein Wissen über die Zeit der Klassik in Weimar, seine hervorragenden handwerklichen und künstlerischen Fertigkeiten und auch die Tatsache, dass seine erste Werkstatt in der Schloßgasse in Weimar war, haben ihn im starken Maße inspiriert. Friedrich Wilhelm Facius, 1829 zum Hofmedailleur in Weimar ernannt, hat im Jahre 1806 die Trauringe für Goethe und seine Frau Christiane hergestellt. Nicht ein Goldschmied wie sonst üblich, sondern ein Graveur fertigte diese Ringe. Facius hat die Ringe in einer handwerklich meisterhaften sogenannten Verschneidetechnik hergestellt. Goethe soll Einfluss auf die Gestaltung genommen haben und so wurden die 40-50 kleinen Kugeln herausgearbeitet. Bis heute gibt es keinerlei Aufzeichnungen oder Berichte über diese Herstellungsweise.

Um die Heirat Goethes und Christianes ranken sich Gerüchte, Vermutungen und überlieferte Fakten. Die Ringe tragen das Datum 14. Oktober dem Tag der Schlacht bei Jena und Auerstedt. Die Heirat fand aber am 19. Oktober 1806 statt (siehe Eintrag im Traubuch der Weimarer Hofkirche). Warum also dieses Datum? Es hält sich das Gerücht, dass Christiane am Abend des 14. Oktober das Haus und das Leben Goethes tapfer gegen französische Plünderer verteidigt haben soll. Aus Dankbarkeit soll deshalb das Datum in die Ringe graviert worden sein. Bewiesen ist das nicht.

Der Trauring des Ehepaares Goethe
Der Trauring des Ehepaares Goethe

Die Trauringe des Ehepaares Goethe werden neben vielen anderen persönlichen Sachen im Goethe-Nationalmuseum ausgestellt. Dort wurden sie 1913 gestohlen und bleiben bis heute verschwunden. Manfred Pennewitz hat immer wieder über diese Ringe nachgedacht und überlegt, wie es gelingen könnte, sie erneut herzustellen. Als junger Graveur hat er in einem Buch die Abbildung der Ringe gesehen und im Archiv Fotos der beiden Ringe gefunden. Seit diesem Zeitpunkt hat ihn dieses Thema gefesselt. Es schließen sich Materialstudien an, Übungen mit bereits von Facius verwendeten Werkzeugen und viele Stunden Überlegungen zu technischen und technologischen Vorgängen. Was Facius konnte, muss mir auch gelingen, war das Motto von Manfred Pennewitz. Und dann war es soweit: Nach vielen Fehlversuchen und Selbstzweifeln gelang ihm 1989, die Ringe in ihrer ursprünglichen Form herzustellen. Dem „Herr der Ringe" war es gelungen, die Goetheringe in ihrer damaligen Formschönheit mit der Facius´schen Technologie anzufertigen. Doch die Freude währte nicht lange, wenige Tage nach der Fertigstellung wurden diese Ringe in seiner Werkstatt gestohlen und bleiben bis heute verschwunden, genauso wie die Originale. Auch Manfred Pennewitz hatte sich keine Aufzeichnungen gemacht, aber sein handwerklich-künstlerisches Können ließ die Ringe neu entstehen.

Im Laufe der Jahre hat er die Technologie der komplizierten Verschneidetechnik immer besser beherrschen gelernt und ist sich heute sicher, Friedrich Wilhelm Facius wäre stolz auf ihn gewesen.

Heute ist die Werkstatt bzw. das Geschäft von Manfred Pennewitz in der Weimarer Marktstraße eine Pilgerstätte für Verliebte und Heiratswillige aus der Stadt und darüber hinaus. Wer etwas auf sich hält, lässt seine Eheringe nach dem Vorbild von Christiane und Johann Wolfgang von Goethe herstellen.

Viele Bestellungen für die Nachbildung der Ringe gehen aus ganz Europa vor allem aus dem Hochadel in Weimar ein. Viele Menschen besuchen Weimar auch wegen eines Besuches der Werkstatt von Manfred Pennewitz. Er selbst zeigt seine Handwerkskunst in Weimar zum Nikolausmarkt auf dem Landsitz der Frau von Stein in Großkochberg, aber auch jeden Sommer beim Barockfest auf dem Schloss Friedensstein in Gotha u.a.

Manfred Pennewitz
Manfred Pennewitz

Manfred Pennewitz ist ein würdiger Repräsentant Thüringer Handwerks- und Kunsttraditionen weit über die Grenzen Thüringens hinaus.

Und so schließt sich für viele Verliebte und Paare der heutigen Zeit in dem schönen Goethegedicht „Die Metamorphose der Pflanzen" der Kreis: „O, gedenke denn auch, wie aus dem Keim der Bekanntschaft - nach und nach in uns holde Gewohnheit entsproß - Freundschaft sich mit Macht aus unserem Innern enthüllte, und wie Amor zuletzt Blüten und Blätter erzeugt. Freue dich auch des heutigen Tags! Die heilige Liebe strebt zu der höchsten Frucht gleicher Gesinnungen auf, - gleicher Ansicht der Dinge, damit im harmonischen Anschaun - sich verbinde das Paar, finde die höhere Welt."

Zarter und liebevoller kann diese verlästerte „wilde Ehe" nicht gedeutet und geheiligt werden als durch dieses Symbol des „Geheimen Gesetzes" und des „heiligen Rätsels" des „Ringes der ewigen Kräfte".

Graveurmeister Manfred Pennewitz verstarb im Alter von nur 71 Jahren.

 

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Foto Werkstatt: Rita Dadder
alle anderen Fotos: G. Müller

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