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Im Lerchenwald

"Je älter ich werde, umso mehr erscheint mir
mein Lebensgebäude hell erleuchtet,
aber es ist leer, nur in einem Raum steht
ein kleiner Karton mit Erkenntnis.
Er bleibt dort, bis die neuen Mieter einziehen."

Diese Zeilen sind der Aphorismensammlung vorangestellt und deuten bereits darauf hin, dass die einzelnen vielfältigen Verse und Gedanken die Gesamtheit eines ereignisreichen Lebens widerzuspiegeln suchen.
"Das Leben ist ein Abenteuer, denn niemand weiß, wie es ausgeht."

Die Geburt des Bauhauses

Die Geburt des Bauhauses

Carolin Eberhardt

Während der chaotischen Monate nach dem 1. Weltkrieg öffnete das Bauhaus 1919 unter der inspirierenden sowie praktischen Leitung von Walter Gropius seine Pforten in Weimar. Als eines der gewagtesten und weitreichendsten Experimente der Kunstausbildung des 20. Jahrhunderts sollte es in die Geschichte eingehen. Von der etablierten und fest verwurzelten deutschen Kunstbewegung auf das Äußerste attackiert und verschmäht, sollte sich schon bald aus der Bewegung eine Revolution der Kunstgeschichte entwickeln. Als einflussreichste Bildungsstätte im Bereich der Architektur, der Kunst und des Designs im 20. Jahrhundert hat das historische Bauhaus aus heutiger Sicht den Weg der Klassischen Moderne auf allen Gebieten der freien und angewandten Architektur und Kunst bereitet.

Mit dem 1902 von Henry van de Velde gegründeten „Kunstgewerblichen Seminar“ wurde eine bis heute andauernde Erfolgsgeschichte geboren. Das Seminar wurde wenig später zu dem als Lehranstalt konzipierten „Kunstgewerblichen Institut“ umfirmiert, dessen Lehrbetrieb 1907 aufgenommen wurde. Inspiriert von japanischer Innenarchitektur der Edo-Zeit entwickelte der belgische Architekt Henry van de Velde bereits Techniken und Methoden, die die spätere Popularität des Bauhauses förderten. 1919 war es Gropius, der die Vereinigung der traditionsreichen Kunstschule, welche 1910 zur Hochschule für bildende Kunst erhoben wurde, mit der Kunstgewerbeschule zum „Staatlichen Bauhaus" in Weimar bewirkte. Ein Schwerpunkt der neu entstandenen künstlerischen Form war die Zusammenführung von Kunst und Handwerk, insbesondere aller formschaffender Gebiete, so zum Beispiel der Tischlerei, Bildhauerei, Malerei. Mit dem Ziel, ein großes Gesamtkunstwerk zu schaffen, wurde auch die Bühnengestaltung und die Architektur in die Synthese der Handwerke und der Kunst einbezogen. Ein gemeinsamer, so vielfältig ausgeprägter Kunststil erforderte eine handwerkliche Ausbildung als Grundlage der Lehre. Somit etablierte sich eine stark praxisbezogene Tendenz im Rahmen der Lehrberufe, produktive Arbeit in den Werkstätten wurde zum Kernstück. Ergänzt wurde die Praxis um die sogenannte Vorlehre, in welcher ein künstlerischer Elementarunterricht stattfand. Nach der Revolutionierung der künstlerischen Ausbildung wandte sich die Bewegung gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen zu, indem sie formgestalterische und architektonische Aufgaben in den Mittelpunkt ihres kreativen Gestaltens stellte, welche mit dem Ziel der Bedürfnisbefriedung der Bevölkerung in enger Verbindung mit der Industrialisierung und der Massenproduktion standen.

Während der Regentschaft der Nationalsozialisten in Deutschland wurde der Stil der Bauhausbewegung als „Jüdisch“ und „bolschewistisch“ abgelehnt, obwohl das Regime eine Vorliebe für Funktionalität im Rahmen von Industriebauten aufwies. Bereits in den 1920er Jahren begann der Kampf der Regierung gegen die Institution des Bauhauses. Auf Grund des auf das Weimarer Bauhaus ausgeübten Drucks durch die Landesregierung Thüringens musste die Schule in den folgenden Jahren nach Dessau umziehen. Im Oktober 1932 wurde das Bauhaus selbst aufgelöst, die Anhänger der Bewegung wurden verfolgt, zum Teil ermordet. Einige unter ihnen arbeiteten allerdings, vermutlich zu ihrem Leidwesen, für die deutsche Regierung. So auch der Architekt Franz Ehrlich, welcher im Auftrag der Nationalsozialisten die Inschrift des Lagertors des Konzentrationslagers Buchenwald entwarf: Jedem das Seine. Von 1937 bis 1939 war Ehrlich als Kommunist in dem Lager inhaftiert und musste hier weiter als Architekt arbeiten. Bei dem Schriftzug orientierte er sich an seinem Bauhaus-Lehrer Joost Schmidt. Viele Männer und Frauen des Bauhauses wählten statt der Verfolgung das Exil. Wenige Ausnahmen setzten ihre Karrieren auch unter den Nationalsozialisten fort.

Die durch Adolf Ziegler, dem Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste, am 19.Juli 1937 in München eröffnete Ausstellung „Entartete Kunst“ zeigte auch einige Exponate der Bauhaus-Bewegung als Produkte „geisteskranker Nichtskönner“ auf. So zum Beispiel fanden sich hier Arbeiten von Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Paul Klee oder Laszlo Moholy-Nagy.

Als rationalistisch und pragmatisch kann der sich aus der Bauhaus-Philosophie entwickelnde Stil bezeichnet werden. Es ging den „Bauhäuslern“ bereits damals schon um ökologische Verwendung von Ressourcen, aber auch um die Steigerung der Effizienz der alltäglichen Arbeiten. So kann im Haus am Horn heute noch der wiederverwendbare Kaffeefilter bewundert werden, ebenso zeigt sich eine interessante Raumaufteilung. Denn Vater und Mutter waren 2 separate Räume zugeteilt, von denen das Frauenschlafzimmer unmittelbar neben dem Kinderzimmer angeordnet war, das Schlafzimmer des Vaters dahingegen exakt auf der gegenüberliegenden Seite des Hauses. Große Glasverkleidungen des Daches sorgten für eine ausreichende Beleuchtung und senkten die Nutzung elektrischen Lichts.

Das Bauhaus ist in der heutigen Zeit eine der beliebtesten architektonischen Stilrichtung, der Einfluss des Bauhauses zeigt sich in allen Bereichen des alltäglichen Lebens. Das Haus am Horn ist nicht das einzige Haus geblieben, vielmehr erfolgte oberhalb des Horns eine rasante Expansion des Bauhausstils, es entstand das unter Weimarern bekannte „Bauhaus-Viertel“.

Im Neuen Bauhaus-Museum am Stéphane-Hessel-Platz 1 in Weimar, dessen Ausstellung unter dem Motto „Das Bauhaus kommt aus Weimar“ steht, stehen die zentralen Fragestellungen, Ideen und Gestaltungsvorschläge des Bauhauses ebenso im Vordergrund wie deren Bedeutung für die Gegenwart. Mit der weltweit ältesten musealen Sammlung von Werkstattarbeiten des Bauhauses zeigt das Museum inzwischen 13.000 Objekte, darunter Mobiliar, Küchen, Geschirr, Badezimmer und Spielzeug.

 

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Textquellen:

Günther, Gitta: Weimar so wie es war, Düsseldorf: Droste Verlag, 1991.

Rosengarten, Laura: Bauhaus und Nationalsozialismus abgerufen von >https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Themen/GK_Geschichte/Texte/rosengarten.pdf< am 09.05.2023.

Nerdinger, Winfried: Das Bauhaus: Werkstatt der Moderne, C.H.Beck, 2019.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Bauhaus logo, 1922, Urheber: Oskar Schlemmer; Reproduktion:  hendrike (2006) via Wikimedia Commons  public domain.

Walter Gropius, Fotografie um 1919, Urheber: Louis Held via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Van-de-Velde-Bau in Weimar (Südgiebel), 2005, Urheber: R.Möhler via Wikimedia Commons CC BY 3.0.

MK38041 Buchenwald Lagertor, 2015, Urheber: Martin Kraft via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Haus am Horn, Weimar (Westansicht), 2009, Urheber: Most Curious via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

 

 

 

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