Weimar-Lese

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Gestaltungsoptionen für einen zukunftsfähigen Arbeits- und Gesundheitsschutz im Pflege- und Dienstleistungssektor

P. Fuchs-Frohnhofen, T. Altmann, S. Schulz, L. M. Wirth, M. Weihrich (Hg.)

Die Pflegebranche ist für die Arbeitsforschung aus mehrern Gründen pragmatisch: Es existieren hohe Belastungen, dabei auch nach wie vor erhebliche körperliche, doch vorallem psychische. Zusätzlich steht die Pfegebranche vor dem Problem, dass immer mehr pflegebedürftige Menschen einer sinkenden Anzahl von Pflegefachkräften gegenübersteht. In der Publikation werden die Ergebnisse einer Zusammenstellung von Verbundprojekten aus dem BMBF mit dem Förderschwerpunkt "Präventive Maßnahmen für die sichere und gesunde Arbeit von morgen" bereitgestellt.

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Schirm Charme und Museum

Schirm Charme und Museum

Ulrich Fleischhauer

Vom Schirmmuseum der Annelies Pennewitz

Wer offenen Auges durch Weimars Altstadt wandert, kann etliches entdecken, was dieser ruhmreiche Ort an kulturellen Schätzen sein eigen nennt. Ist doch das Angebot hier überreichlich. Wo so vieles im Glorienschein früherer Tage erstrahlt, mag man unter all dem Kostbaren womöglich eine Perle übersehen. Darum sei an dieser Stelle auf ein Kleinod in der Rittergasse aufmerksam gemacht: das Schirmmuseum von Frau Annelies Pennewitz.

Mit Schirmen kennt sie sich bestens aus, die Dame des Hauses, denn sie ist gelernte Schirmmachermeisterin. Wie wohl weit und breit kein anderer versteht sie etwas von dem Handwerk und von der Geschichte des tragbaren Wetterschutzes. Mit liebenswertem Charme erzählt sie davon. Und sie tut es offensichtlich gerne.

Annelies Pennewitz vor ihrem Fachgeschäft für Schirme und Taschen in der Rittergasse 19. Ihre  Sammlung befindet sich in der oberen Etage.
Annelies Pennewitz vor ihrem Fachgeschäft für Schirme und Taschen in der Rittergasse 19. Ihre Sammlung befindet sich in der oberen Etage.

Ihre Geschichte begann damit, dass die Schirmmanufaktur Magdlung für ihr Geschäft in der Marktstraße einen Nachfolger suchte, da es in dem alt eingesessenen Familienbetrieb keine Nachkommen gab. Die Wahl fiel auf die junge Frau Pennewitz. Mithin trug man ihr an, den Betrieb mit acht Mitarbeitern selbstständig zu führen. Einzige Bedingung war, dass sie ihren Meistertitel erwerben sollte.

So startete ihre berufliche Laufbahn gleich mit einem Konflikt, denn nach den damaligen gesetzlichen Bestimmungen hätte sie zu diesem Zeitpunkt die Ausbildung zum Meister noch gar nicht beginnen dürfen. Dazu musste die Achtzehnjährige erst einmal volljährig, das heißt 21 Jahre alt sein.
Zu Zeiten, da Schirme kirchlichen wie weltlichen Oberhäuptern vorbehalten waren, bedienten sich vielerorts vornehme  Damen solcher Regentücher.  Und das wohl nicht nur zum Schutz gegen Regen.
Zu Zeiten, da Schirme kirchlichen wie weltlichen Oberhäuptern vorbehalten waren, bedienten sich vielerorts vornehme Damen solcher Regentücher. Und das wohl nicht nur zum Schutz gegen Regen.

Man einigte sich schließlich, indem man ihr gestattete, zunächst auch ohne Meistertitel das Geschäft zu führen. Drei Jahre später sollte die Schulung zur Meisterin erfolgen. Diese absolvierte sie souverän, wobei sie nicht nur weiterhin die Geschäftsleitung meisterte, sondern auch gleichzeitig eine Familie gründete und zwei Kinder aufzog.

Anschließend war sie als Schirmmachermeisterin mit ihrem Geschäft über Jahrzehnte hinaus zweifellos erfolgreich. Wenn sie auch keine eigenen Schirme herstellen durfte, was allein einer Schirmfabrik in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, vorbehalten war, so hatte sie mit Reparaturaufträgen mehr als genug zu tun. Teilweise waren es sogar derart viele, dass sie vorübergehend keine weiteren mehr annehmen konnte.

Äußerst schwierig war die Beschaffung der Materialien, vor allem auch bei Schirmen, die aus dem Westen stammten und ihren Weg hierher in die DDR gefunden hatten. Aber auch solche logistischen Probleme hat sie meisterlich zu bewältigen gewusst.

Zur eigenen Schirmproduktion sollte es dann doch noch kommen, als nach der Wende das Verbot zur Herstellung eigener Schirme keinen weiteren Bestand mehr hatte. Da erschien eines Tages ein Pfarrer aus Erfurt und beauftragte Frau Pennewitz damit, einen sogenannten Liturgischen Schirm zur Verwendung bei Prozessionen herzustellen. Das war schon eine besondere Herausforderung und sicher der bedeutendste Auftrag in ihrer langjährigen Berufslaufbahn.

Schirme, ob mit flachem, gewölbtem oder tulpenförmigem Dach, mit gemustertem oder einfarbigem Stoff, mit Fransen, Troddeln oder Rüschen, bei Frau Pennewitz gibt es sie alle.
Schirme, ob mit flachem, gewölbtem oder tulpenförmigem Dach, mit gemustertem oder einfarbigem Stoff, mit Fransen, Troddeln oder Rüschen, bei Frau Pennewitz gibt es sie alle.

Eigene Schirme stellt sie nun schon seit einer Weile nicht mehr her. Ihr Fachgeschäft, mit dem sie vor einigen Jahren bereits von der Marktstraße in die Rittergasse umgezogen ist, führt sie allerdings immer noch. Und dort hat sie sich spezialisiert auf den Verkauf von Schirmen und Handtaschen. Frühzeitig hatte Frau Pennewitz neben ihrer Arbeit damit begonnen, Schirme aus vergangenen Zeiten zu sammeln. So lag es nahe, dass sie eines Tages damit begann, ein eigenes Schirmmuseum einzurichten.

Prunkstücke in dieser Sammlung sind heute etliche Schirme aus der Rokokozeit. Die ältesten Schätze davon sind etwa 250 Jahre alt. Es sind sogenannte ‘Knicker’ - „Modische Dinger zum Knicken“, wie Goethe sie genannt haben soll. Knickschirme, am Griff und am Stock zum Teil mit feinen Schnitzereien aus Elfenbein versehen, die man sogar als Fächer benutzen konnte.

Nicht von ungefähr aber beginnt Frau Pennewitz die Ausstellung mit Papierschirmen aus China. Dem Vernehmen nach tauchten sie dort vor 4000 Jahren erstmalig auf. Es wird eine uralte Geschichte erzählt, wonach die Frau eines gewissen Lu Ban einen tragbaren Regenschutz erfunden haben soll, indem sie Tierhäute über Bambusstreifen spannte und einen einfachen Faltmechanismus entwickelte. Später wurden diese Bambusgestelle zunächst mit Seide oder Federn und danach vornehmlich mit Papier bespannt. Noch heute, so kann man von Frau Pennewitz erfahren, werden in Japan und China Papierschirme auf diese traditionelle Weise hergestellt.

Schirmherstellung im 18.Jahrhundert.
Schirmherstellung im 18.Jahrhundert.

Eindrücklich erläutert sie auch, wie die Schirme überall und lange Zeit nur als Sonnenschutz verwendet wurden und erst später dazu dienten, dem Regen zu trotzen. Dazu waren immer besondere Erfindungen notwendig. So wie in China, indem man darauf kam, die Papierbespannung in Öl zu tränken, oder in Europa, als man eine Möglichkeit fand, die Stoffe zu imprägnieren.

An verschiedenen Exemplaren aus dem 19. Jahrhundert zeigt sie, dass die Schirme lange Zeit mit einem Innenfutter versehen waren, das ringsherum am Außenrand mit der Bespannung vernäht war. Schmunzelnd verrät sie den Sinn, der darin lag, das Gestänge mit der Mechanik zwischen Bespannung und Futter zu verstecken, da es als ausgesprochen unschicklich galt, es offen zu zeigen.


In den Glasschränken der Ausstellung sowie auf Bildtafeln ist sehr anschaulich dokumentiert, wie die Geschichte und die Entwicklung des Schirmes verlaufen ist. Etwa von den Anfängen, da er ausschließlich allerhöchsten Herrschern vorbehalten war, Kaisern ebenso wie Königen oder Päpsten - über die Zeit, da er als Statussymbol dem Adel diente - als er seinen Weg in die Mode der bürgerlichen Welt fand, da nach der französischen Revolution die streng hierarchische Kleiderordnung aufgehoben war, - bis hin zur Entwicklung des Taschenschirms für jedermann und zur industriellen Anfertigung als Massen- und Billigprodukt.

Wenn Sie mehr erfahren wollen, wie die Schirme zu ihrem Museum fanden, so besuchen Sie doch einmal die kleine, aber fein und liebevoll ausgestattete Einrichtung, und lassen Sie sich von Annelies Pennewitz durch ihre Sammlung führen. Dabei wünsche ich Ihnen ein ebensolches Vergnügen, wie ich es bei meinem Besuch hatte. Und vielleicht werden Sie dann anschließend einstimmen mit mir und sagen: Hut ab vor der Dame, die dem Schirm ein so ansehnliches Denkmal gesetzt hat.


Öffnungszeiten:

Montag bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr

Sonnabend 10.00 bis 14.00 Uhr

Telefon: 03643 / 90 33 63

Laß regnen
wenn es regnen will,
dem Wetter seinen Lauf.
Denn wenn es nicht mehr
regnen will
so hörts von selber auf


Johann Wolfgang von Goethe

*****

Fotos und Zeichnungen von Ulrich Fleischhauer

Schirmherstellung im 18.Jahrhundert, Abbildung in der französischen Enzyklopädie von Diderot und le Rond d’Alembert, Kupferstich von Boursier, 1772, Museum im Gotischen Haus, Bad Homburg vor der Höhe, gemeinfrei

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99423 Weimar

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