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Kennst du Georg Büchner?

Silvia Frank

Lass dich auf eine Begegnung mit dem rebellischen Georg Büchner und seinem ungewöhnlichen Werk ein. 

Wassily Kandinsky

Wassily Kandinsky

Thomas Müller

Ja, er war auch in Weimar und hat  in der Wilhelm-Külz-Straße Nr. 3 gewohnt - Wassily Kandinsky, dessen Leben man wohl in sechs Perioden einteilen kann, und deren wahrscheinlich in der öffentlichen Wahrnehmung letzte wichtige in Weimar ihren Anfang genommen hat.

Wassily Kandinsky um 1913
Wassily Kandinsky um 1913

Am 4. Dezember 1866 in Moskau geboren, besuchte er in Odessa die Schule und schlug nach dem Besuch des dortigen Gymnasiums zunächst eine juristische Karriere ein, studierte aber auch Nationalökonomie und Ethnologie, bevor er 1893 mit einer Dissertation "Über die Gesetzmäßigkeit der Arbeiterlöhne" promovierte. Bereits seit dem Ende seines Studiums 1892 hatte er als Assistent an der Ju-ristischen Fakultät der Moskauer Universität gearbeitet. Als man ihm 1886 eine Professur in Dorpat anbot, lehnte er aber ab.

Stattdessen entschied er sich, gemeinsam mit seiner ersten Frau, seiner Cousine Anna Tschimjakin, die er 1892 geheiratet hatte, nach München überzusiedeln, um sich seiner wahren Berufung und Leidenschaft, der Kunst, zu widmen. München, wo er zunächst von 1897 bis 1899 an der privaten Malschule von Anton Ažbe und ab 1900 an der Kunstakademie bei Franz von Stuck studierte, galt damals als eine der führenden Kunststädte Mitteleuropas. Die Entscheidung, nach München zu gehen, sollte sich als richtig erweisen, denn bereits in der Malschule von Anton Ažbe schloss er mit Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin sowie im Zeichenunterricht bei Franz von Stuck mit Paul Klee Bekanntschaft: Persönlichkeiten, die sein gesamtes späteres künstlerisches Leben begleiten und beeinflussen sollten.

Gabriele Münter, 1900
Gabriele Münter, 1900

In der Zeit zwischen 1903 und 1907 unternahm Kandinsky ausgedehnte Reisen und arbeitete, ohne auf einen Stil festgelegt zu sein, mit unterschiedlichsten Materialien. Sein Stil konnte zu dieser Zeit am ehesten dem Impressionismus zugeordnet werden, nachdem er ab 1901 in der zu der Künstlergruppe Phalanx gehörenden „Schule für Malerei und Aktzeichnen" gearbeitet hatte, die jedoch 1904 wieder geschlossen werden musste.

In dieser „Schule für Malerei und Aktzeichnen" lernte er Gabriele Münter kennen, eine Schülerin, die später seine Lebensgefährtin wurde. 1908 zog er mit ihr zusammen. Von seiner Frau, die schon länger zuvor nach Russland zurückgekehrt war, lebte er getrennt. 1909 folgte die Zeit der „Neuen Künstlervereinigung München", deren Vorsitzender er seit 1909 war, obwohl diese zunächst auf Initiative von Werefkin, Jawlensky, Adolf Erbslöh und Oscar Wittenstein gegründet worden war, ohne Kandinsky und Münter dabei einzubeziehen.

Zu dieser gehörten neben Kandinsky und Gabriele Münter unter anderem August Macke, Franz Marc und Alexej von Jawlensky. Zentrum und Treffpunkt für die Münchner Künstler war ein Haus in Murnau, das Gabriele Münter im gleichen Jahr gekauft hatte.

Dies war die Zeit, in der einige Mitglieder der Neuen Künstlerbereinigung allmählich begannen, sich vom Gegenständlichen abzulösen und eine Entwicklung hin zu dem zu nehmen, was man später mit dem Begriff Expressionismus einzuordnen versuchte. Zu dieser Gruppe gehörte an exponierter Stelle Kandinsky.

1910 kam es zwischen einigen Mitgliedern der neuen Künstlervereinigung München und Kandinsky zu Differenzen, deren Ursachen in den mehr und mehr abstrakt werdenden Werken Kandinskys lagen. Die Entwicklung Kandinskys zum Abstrakten hin wurde überdies flankiert von der Veröffentlichung des kunsttheoretischen Werks "Über das Geistige in der Kunst", in dem Kandinsky die Neuerung der Kunst fordert und das rein Formale in den Vordergrund stellt. Die Abkehr von der Künstlervereinigung wird damit überdeutlich. Schließlich kam es zum Bruch mit dem Kunstverein, und so trennte er sich zusammen mit Gabriele Münter, Franz Marc und Alfred Kubin von der Vereinigung, als 1911 seine "Kompositionen V" nicht in die Ausstellung des Kunstvereins aufgenommen wurden.

"Der blaue Reiter"

Daraufhin schlossen sich Kandinsky und Marc zu einer neuen Künstlergruppe zusammen, die sie "Der Blaue Reiter" nannten.

"Den Namen „Der Blaue Reiter" erfanden wir am Kaffeetisch in der Gartenlaube in Sindelsdorf. Beide liebten wir Blau, Marc - Pferde, ich - Reiter. So kam der Name von selbst."
(W. Kandinsky, in: H. Richter 1977, S. 27)

Die Kunst der Maler des "Blauen Reiter" war getragen von einer Hinwendung zum Geistigen, während andere Strömungen dieser Zeit, etwa die Maler der „Brücke", noch an den dinglichen Gegenständen festhielten.

 Wassily Kandinsky: Fuga, 1914
Wassily Kandinsky: Fuga, 1914

Während Franz Marc versuchte, mit seinen blauen Pferden eine Beziehung zu den Träumen und den Sehnsüchten herzustellen, und damit beim Betrachter eine geistige Beziehung zu den inneren Prozessen der Natur assoziierte, versuchte Kandinsky eine enge Beziehung zwischen der Malerei und der Musik herzustellen. So entstand beispielsweise eine große geistige Nähe und später auch eine Freundschaft zu dem Komponisten Arnold Schönberg, von dessen Musik er sich immer wieder inspirieren ließ.

Aus diesem Schulterschluss von Musik und Kunst ergaben sich in der Kunst Kandinskys nach seiner Vorstellung im Wesentlichen drei Gruppen von Bildern: Die "Impressionen" als äußerer Eindruck von der Natur, die "Improvisationen" als Ausdruck spontaner, innerer Regungen und die "Kompositionen", die nach einem langen inneren Prozess des Schauens entsanden.

1914 hat es zwischen Münter und Kandinsky immer wieder Zerwürfnisse gegeben, die schließlich zur Trennung führten. Mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges musste Kandinsky außerdem, genauso wie Jawlensky und von Werefkin, als Russe Deutschland verlassen. Münter folgte Kandinsky noch nach Zürich, wo es dann endgültig zum Bruch zwischen den beiden kam. Kandinsky ging dann nach Moskau. In der Hoffnung, Kandinsky dort wieder zu treffen, wanderte Gabriele Münter sogar nach Stockholm aus, denn für sie war diese Trennung von Kandinsky das Drama ihres Lebens.

Nach einem umfangreichen Schriftverkehr zwischen ihnen kam es schließlich zu einem Treffen der beiden in Stockholm, welches jedoch von beiden jeweils mit unterschiedlichem Vorzeichen versehen war. Denn während Münter wohl die Hoffnung damit verband, Kandinsky für sich zurückgewinnen zu können, war diese Zusammenkunft von Kandinskys Seite mit der Ambition verbunden, seine Bilder samt seinen vielen Notizbüchern, Skizzen für künftige Werke, unzählige Briefe etc., die er ihr seinerzeit überlassen hatte, zurückzuverlangen. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden wurde wahrscheinlich zusätzlich beflügelt durch den Umstand, dass Kandinsky 1917 seine zweite Frau Nina heiratete. Zunächst bemühte sich Kandinsky erst im Guten, schließlich über die Gerichte, wieder in den Besitz seiner Bilder zu kommen. Denn Kandinsky wusste natürlich, dass ihm quasi als Erfinder der abstrakten Kunst in seiner Münchner und Murnauer Zeit etwas epochal Neues gelungen war, das er nicht wiederholen konnte. 1926 gab es dann eine Gerichtsentscheidung, mit dem Ergebnis, dass Münter einen großen Teil der Bilder von Kandinsky, seiner Aufzeichnungen und seiner gesamten Briefe usw. behalten durfte, welche heute einen wesentlichen Teil der Sammlung „Blauer Reiter" des Lenbachhauses in München ausmachen.

Moskau, Burdenko 8. Kandinsky lebte hier von 1915–1921.
Moskau, Burdenko 8. Kandinsky lebte hier von 1915–1921.

Während seiner Moskauer Zeit verband Wassily Kandinsky mit der Oktoberrevolution von 1917 in Russland die Hoffnung auf eine Zeit der Erneuerung in der Kunst. Er wollte daran teilhaben. 1918 wurde er daher Mitglied der Abteilung Bildende Kunst im Kommissariat für Volksaufklärung. Er nahm eine Professur für Kunstwissenschaften an den Höheren Staatlichen Künstlerisch-Technischen Werkstätten an und wurde 1920 auf den kunstwissenschaftlichen Lehrstuhl der Universität Moskau berufen. Er war Mitbegründer des Instituts für Künstlerische Kultur.

Zahlreiche neue Museen in Russland wurden durch ihn ausgestattet. Allerdings hielten ihn seine vielfältigen Funktionen vom eigenen künstlerischen Schaffen weitgehend ab. In dieser Zeit beschäftigten ihn Hinterglasmalereien mit Heiligendarstellungen und Aquarelle und Radierungen mit abstrakten geometrischen Formen. Aber auch in seiner Moskauer Zeit kam es bald zu unterschiedlichen Ansichten zwischen ihm und der offiziellen russischen Kunstauffassung, was ihn schließlich dazu bewog, einem Ruf Walter Gropius an das Weimarer Bauhaus zu folgen und nach Weimar umzusiedeln.

Kandinskys Wohnhaus in Weimar
Kandinskys Wohnhaus in Weimar

Hier war er Formmeister für Wandmalerei und Lehrer im Vorkurs des staatlichen Bauhauses. Dabei beschäftigte er sich zentral mit dem Ausbau analytischer Methoden im künstlerischen Schaffen sowie der Förderung der Systematisierung und Ordnung bildnerischer Mittel. Innerhalb kürzester Zeit avancierte er damit zu einem der wichtigsten und innovativsten Lehrer am Bauhaus.

In seiner Weimarer Zeit, welche mit dem Umzug des Bauhauses nach Dessau im Jahre 1925 ihr Ende nahm, fiel auch die Gründung der Künstlergruppe „Die Blaue Vier" zu der neben Lyonel Feininger alte Weggefährten Kandinskys gehörten, nämlich Paul Klee und Alexej Jawlensky, welche schon zum „Blauen Reiter" gehört hatten und die er nun in Weimar wiedertraf. Dabei verkörperte die „Die Blaue Vier" nicht einmal ein neues kunsthistorisches Konzept. Vielmehr handelte es sich dabei um eine Ausstellungsgemeinschaft, welche auf Initiative der Künstlerin Galka Scheyer initiiert wurde. Zunächst wurden Ausstellungen im Umfeld des Bauhauses organisiert, und so könnte man der Auffassung sein, dass es sich bei der Gründung dieser Gruppe lediglich um ein Marketingkonzept gehandelt hat.

Gedenktafel am Wohnhaus Kandinskys in Weimar
Gedenktafel am Wohnhaus Kandinskys in Weimar

Dies ist durchaus nicht von der Hand zu weisen, denn Galka Scheyer, die auch die Idee zu dem Namen der Gruppe hatte, organisierte gleichzeitig eine internationale Ausstellungstour, in deren Zuge es gelang, die Werke dieser Künstler auch in Amerika bekannt zu machen. So gesehen markiert „Die Blaue Vier" den Beginn des internationalen Ruhms, den Feininger, Jawlensky, Kandinsky und Klee nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihrer Kunst erreicht haben. Es ist anzunehmen, dass in seiner Weimarer Zeit auch die Entstehung seiner 1926 erschienen kunsttheoretischen Schrift mit dem Titel „Punkt und Linie zu Fläche" fiel.

Mit der Schließung des Bauhauses durch die Nationalsozialisten siedelte Kandinsky zunächst nach Neuilly-sur-Seine bei Paris um. Hier hatte es Kandinsky schwer, Fuß zu fassen, zumal in Paris kubistische und surrealistische Einflüsse bevorzugt wurden. Er und seine Frau nahmen 1939 zwar die französische Staatsbürgerschaft an, aber in der öffentlichen Wahrnehmung seiner Zeit hatte Kandinsky den Zenit seiner Popularität längst überschritten, obgleich er bis zu seinem Lebensende täglich gemalt hat. Die öffentliche Einstellung zu Kandinsky sollte sich leider erst posthum ändern, woran seiner um 27 Jahre jüngeren Frau Nina, die ihn um 36 Jahre überlebte, ein nicht unerhebliches Verdienst zugesprochen werden muss.

Wassily Kandinsky starb am 13. Dezember 1944 in Neuilly-sur-Seine bei Paris.

 

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Bildnachweise:
- Vorschaubild: Kandinsky-Signatur (gemeinfrei)
- Porträt Wassily Kandinsky um 1913, (gemeinfrei, Quelle: Wikipedia)
- Gabrielle Münter, 1900, (gemeinfrei, Quelle: Wikipedia)
- Moskau, Burdenko 8. Urheber: NVO, CC BY-SA via Wikimedia Commons
- Wassily Kandinsky: Fuga, 1914, gemeinfrei nach § 1256 des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation. Quelle: Wikimedia Commons
- Kandinsky-Wohnhaus in Weimar und Gedenktafel am Wohnhaus: Rita Dadder

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