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Weihnachten

Ein Fest der Familie und des Friedens

Florian Russi, Herbert Kihm (Hg.)

Alle Jahre wieder feiern wir das Weihnachtsfest im Kreise unserer Familie und lassen althergebrachte Traditionen in familiärer Atmosphäre aufleben. Doch wo hat das Fest seinen Ursprung, warum feiern wir Weihnachten und woher stammt der Christbaum?

Das liebevoll gestaltete Heftchen gibt Auskunft hierüber und enthält zudem eine kleine Sammlung der bekanntesten Weihnachtslieder. Des Weiteren Rezepte laden zum Kochen und Backen ein.

Ideal und Wirklichkeit

Ideal und Wirklichkeit

Günter Rippke

Die an Stelle ihres noch unmündigen Sohnes Carl August regierende Herzoginwitwe Anna Amalia (1739 - 1807) war bestrebt, die damals bedeutendsten Geister um sich zu versammeln. Hufeland, ihr Leibarzt, stand am Anfang der ruhmvollen Reihe, gefolgt von Wieland, der als Erzieher des zukünftigen Herzogs großen Einfluss auf die nachfolgende Zeit gewann. Carl August zog dann Goethe nach Weimar, dieser Gottfried Herder, einen der führenden Köpfe in Sachen Philosophie, Aufklärung und Pädagogik (freilich unterm Talar), und endlich auch Friedrich Schiller. Sie schufen bekanntlich das Bild der „Weimarer Klassik". Goethe rückte sogar in die höchsten Staatsämter auf. Allerdings musste er bald einsehen, „dass oben immer an einem Tag mehr verzehrt wird, als unten an einem beigebracht werden kann." Er musste es wissen, war er doch zeitweise des Herzogs Finanzminister.
Die Landbevölkerung merkte von einer humanistischen Entwicklung herzlich wenig. Die Schulbildung verharrte trotz der großartigen Ideen in der Residenz auf einem niedrigen Niveau. Wie es um dieses nur zwei deutsche Meilen vor den Stadttoren bestellt war, mag man dem Beschwerdebrief der Gemeinde Tiefengruben über ihren damaligen Schulmeister entnehmen:

"Wohllöbliche Churfürstliche Maynzische Regierung!

Die Vormundschaft und sämtliche Gemeinde allhier in Tiefengruben können nicht vorbey, unserer wohllöblichen Regierung klagend anzubringen, dass unser Schulmeister Johann Valentin Krüger, öfters ein ruchloses Leben geführet, derweil er in Diensten allhier gestanden hat.

Vors Erste hat er seinen Mitconsorten, den alten seligen Schulmeister Herrn Nicol Spitteln, der auf die 56 Jahr der Gemeinde treu gedienet, niemals eine Klage wider ihn kommen ist, aufs grausamste schimpfieret. Auch mit den Schulkindern hat er diese Torheit begangen. Statt dessen er sie mit Liebe und Güte, als ein treuer Schullehrer in Catechismo unterrichten sollen, hat er sie auf den Kirchturm geführet und in einen großen hölzernen Kasten gestecket, ein groß Gerumple gemacht, worüber die Kinder heftig verschrocken, das sich manches nicht wieder in die Schule sehnet.

Vors Andere hat er den Schultheissen und Kircheninspector auch schimpfieret und ihn einen Gotteshausbetrüger gescholten, welches er doch nicht beweisen kann.
Drittens ist allhier gebräuchlich, dass er vor allen Hauptfesten als Weyhnachten, Ostern und Pfingsten bey dem Altarmanne einen Trunk bekömmt, so hat er noch bey keinem Frieden halten können. Die Adjuvanten hat er auch aufs Ärgste beschimpfet und ihrer Etliche Schelme, Diebe, Rotznasen, Betteljungen und alberne Hansen gescholten. Auch sagte er zu ihnen, sie verstünden keine Note, da er doch denjenigen, welche bey des Herrn Spittels Zeiten mit musizieret haben, nichts mehr lernen kann, weil er von der Instrumentalmusik, als Geigen, Hautbois, Flöten und Perforz-Horn, selber gar nichts versteht.

Abends hat er mit seiner Frau und Mägden immer in Uneinigkeit gelebt, dadurch der Schuljugend viel böse Exembel gegeben werden, indem er die Frau des Nachts etliche Male aus dem Schulhaus gejaget, dass sie bei den Nachbarn Herberge suchen mußte. Über solchen Jagden hat er erschröcklich Geschrey angerichtet, dass Jedermann, wer es gehöret verschrocken anbey gelaufen und nicht anders gedacht, es wäre Feuer.


Fünftens hat er seine Magd mit dem spanischen Rohr geschlagen, und seine Frau hat gleicherweise die Magd mit der Ofengabel erstechen wollen, worüber sie hat davon laufen müssen. Nachgehens hat er die Lade, worin die arme Magd ihre Wäsche gehabt, auf und entzweigebrochen, die Wäsche herausgenomen und ihr nicht wiedergegeben, obschon der Herr Regierungsrat und Amtmann allhier durch den Gerichtsknecht Amtsbefehl gegeben, hat er denselbigen doch nicht respectieret.

Sechstens ist ihm der Schuldienst allhier nicht mehr anständig. Er ist aus der Schule gelaufen, hat dieselbe versäumet, ist nach Berka gegangen und hat allda bey dem Herrn Lieutnant von Grießheim um Officier-Stelle angehalten und Handgeld gefordert. Er hat auch gesagt, er wolle nun keine Kirche wieder halten. Sie sollen ihm nur Geld in die Hand geben. Er wolle lieber ein Soldat werden. Geht von Stund an ins Wirtshaus und hat mit denen Soldaten Brüderschaft getrunken.
Weil er nun der Gemeinde selber den Stuhl vor die Thür gesetzet hat, so will ihn auch die gantze Gemeinde durchaus nicht mehr wissen noch hören, weil ohne dem fast kein Bauer mehr ist, den er nicht schimpfieret hat.

Bitten demnach unsere wohllöbliche Regierung ganz unterthänigst, sie möchten doch diesen lasterhaften Mann, welcher mit ungeistlichen Tugenden behaftet ist, von uns abnehmen."

Der Kerl war für den Lehrerberuf gewiss höchst ungeeignet.
Aber die Ausbildung - und gar die Besoldung - der Dorfschulmeister waren auch später noch sehr unzureichend. „Was einkommt geht auch jedes Jahr wieder auf", schrieb der Tiefengrubener Dorflehrer Harnisch 1796 in einem Bericht.
Vom Amt allein konnte ein Lehrer seine Familie kaum durchbringen. In der Regel betrieb er nebenher eine kleine Landwirtschaft zur Selbstversorgung. Sein Einkommen, schrieb er, mache „kaum Bauernknechtslohn aus, obwohl das Unterrichten eine mühsam zu erlernende Kunst, und den Leuten ganz unentbehrlich ist."
Die Dorfschule bestand in Tiefengruben von etwa 1530 bis 1964.

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(1) (zitiert nach „Chronik von Tiefengruben" von Tränker, Keiser und Rötsch, o. J. - Tiefengruben unterstand im 18. Jhd. noch der Mainzer Verwaltung).

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Fotos: Florian Russi

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