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Carolin Eberhardt

Die Nixe von Weimar

Sind Nixen gut oder böse? So einfach lässt sich die Frage nicht beantworten. In einer Auswahl von Weimarer Sagen wird die Ilmnixe Erlinde vorgestellt. Unheimlich mutet sie oft an und zugleich wunderschön und bezaubernd. Die Illustrationen wurden von einer 5. Klasse des Goethegymnasiums in einnem literisch-künstlerischen Projekt gestaltet. 

Wolfram Huschke

Wolfram Huschke

Antje Genth-Wagner

Wie er mir so gegenüber sitzt, mit spitzbübischem Lächeln und blitzenden Augen, erinnert er mich wieder einmal an Mephisto. Dieser Gesichtsausdruck ist mir nur allzu bekannt und löst sofort einen Zeitsprung aus:

Weimar 1983, Hochschule für Musik „Franz Liszt", Abteilung Schulmusikerziehung

Wir sind seine erste Seminargruppe und er hat uns voll im Griff: Dr. Wolfram Huschke, späterer Rektor jener Musikhochschule. Er  steht noch am Anfang seiner Karriere. Musikanalyse ist nicht gerade mein Lieblingsfach, doch ich gehe hin: a) weil ich muss, b) weil ich selten jemanden begegnet bin, der so lebendig und mit Leidenschaft unterrichtet. Wolfram Huschke liebt nicht nur die Musik, nein, er lebt sie auch. Insbesondere Franz Liszt hat es ihm angetan. Seine Leidenschaft für diesen hervorragenden Komponisten überträgt sich auf uns, wir lauschen der Musik, hören Sie mit seinen Ohren und verstehen sie auf einmal. Er hat die Gabe zu begeistern, Menschen zu motivieren. Jahre später war es genau diese Eigenschaft, die ihm die Wahl zum Rektor einbringen sollte.

Wolfram Huschke war schon damals eine Persönlichkeit. Gradlinig. Einer, der Halbheiten hasste, Leistung erwartete und von sich selbst Höchstleistung forderte. Für seinen Zynismus und seine scharfe Zunge war er bekannt und gefürchtet; für das unbedingte „Hinter-seinen-Studenten-stehen" wurde er verehrt, für das spontane Kaffeetrinken im Resi an Stelle eines wintergrauen Nachmittagseminares liebte man ihn.

Es ging familiär zu, damals „Am Palais". „Am Palais" ist eine Gasse, nein eigentlich ein Winkel, der einem Spitzweggemälde entsprungen sein könnte. Das alte graue Gemäuer, um 1500 die Kirche eines Franziskanerklosters, in dem schon Martin Luther gepredigt hat, später dann ein Kornhaus, war genau das richtige Domizil für Studenten und Dozenten: Urig, gemütlich und überschaubar. Letzteres Vor-und Nachteil zugleich: einerseits intensivste und individuelle Förderung des Einzelnen, anderseits keine Chance zum Abtauchen in der Masse. So war es durchaus keine Seltenheit, dass Wolfram Huschke höchstpersönlich, vornehmlich in der für Studenten „anstrengenden" Faschingszeit, sturmklingelnd vor unserer Studentenbude gleich um die Ecke stand und mit süffisant-teuflischem „Meine Damen, die Vorlesung hat seit 3 min. begonnen, ich erwarte Sie in 5!" uns Beine machte. Wir schafften es meistens in 4!

Wolfram Huschke ist als ehemaliger Student nicht nur „Schulmusikurgestein", sondern auch eingefleischter Weimarer. Nach einigen Angaben „flutschte" er als „Gründonnerstagskind" 1946 zeitgleich mit dem Vereinigungsparteitag der KP auf die Welt - in Weimar natürlich. Huschkes gibt's hier schon seit etlichen hundert Jahren, bis 1718 kann die Familie zurückverfolgt werden. Handwerker und Ärzte, allen voran Christian Huschke, der fast in einem Atemzug mit Goethe und Schiller genannt wird - dem einen war er Leibarzt, den anderen sezierte er. Leben und Tod liegen in den Gerüchten dieses schillernden Familienmitglieds dicht beieinander. Von Freimaurern ist hier die Rede, die den Arzt Huschke beauftragten, Schiller zu ermorden und dem Lebensretter, der Goethe angeblich 1817 durch einen Arnikatrank vor dem Tod bewahrte. All das hatte übrigens Wolfram Huschkes Vater herausgefunden. Als Historiker der Genealogie (Familienforschung) verfallen, setzte er in jahrzehntelanger Kleinstarbeit Steinchen für Steinchen des großen Huschkepuzzels zusammen. Das Resultat ist im Hauptstaatsarchiv in Weimar zu bestaunen, hier gibt es ein „Familienarchiv Huschke".

Während wir noch über seinen berühmten Ahnen sinnieren, der übrigens über Herzogin Anna Amalia in den Goetheschen Dunstkreis kam, weil sie für ihre Italienreise noch einen Arzt brauchte, wird von Wolfram Huschke galant Wein nachgeschenkt. Man merkt, dass er eine gute Kinderstube genossen hat. Hier regierte nach der Scheidung seiner Eltern mit liebevoll strenger Hand die Großtante: Ehemalige Gouvernante bei Oetker, hatte sie sich auf die Fahnen geschrieben, nun den Spross der „Huschkedynastie" fit für die große weite Welt zu machen. Und ihre Rechnung ging auf, schaut man sich den Lebenslauf ihres Zöglings an:

Kirchenchor, Klavierunterricht, das Abi mit „ausgezeichnet", Immatrikulation an der Musikhochschule Franz Liszt. Sein Jahrgang ist der 1. Jahrgang des „Ein-Fach-Studiums"  Schulmusikerziehung. „Ich hätte alles studieren können, meinetwegen auch Elektroakkustik" - ganze Generationen von Studenten sind froh, dass er es nicht getan hat.

Als sein ehemaliger Musiklehrer an der EOS aufhörte, bekam Wolfram Huschke seine Stelle und baute gemeinsam mit Georg Friedrich Händel, „die Koryphäe auf dem Gebiet der Stimmbildung", einen der bedeutendsten Schulchöre seiner Zeit auf. Nicht dass ihm der Lehrerberuf missfallen hätte, im Gegenteil, Huschke war immer mit Leib und Seele Lehrer und stand gerne vor den Klassen. Doch er wollte mehr, wollte Studenten lehren, wie man Kindern und Jugendlichen die Welt der Musik erschließt, sie heranführt und begeistert. Durch die Protektion des Parteivorsitzenden der LDPD, gegründet von Wolfram Huschkes Stiefvater, öffneten sich für ihn die Tore der Musikhochschule. Um der unausgesprochenen Pflicht zu entgehen, als „Hochschulkader" in die SED eintreten zu müssen, aber auch „aus familiärer Tradition und seinem liberalen Grundverständnis heraus", wurde er Mitglied der LDPD.

Wolfram Huschke ist ein starker Charakter: agil, blitzgescheit und kein „Mäntelchen-in-den-Wind-Hänger" - wo er ist, wird etwas bewegt. Wen wundert's, dass auch in seiner Karriere alles andere als Stillstand herrscht:

Oberassistent und stellvertretender Abteilungsleiter der Abt. Schulmusik bis 1989, dann Abteilungsleiter, seit '90 „Ämter querbeet".

1993-2001 Rektor, 2 Amtsperioden

Den liebevollen Spitznamen „Baurektor" hat er nicht von ungefähr, gehen doch auf seine Kappe Projekte wie der Einbau des großen Saales im Hauptgebäude der Hochschule am Horn (nebenbei bemerkt die größte Erweiterung der Hochschule in ihrer Geschichte) - 2001 im Oktober eingeweiht! O-Ton Huschke dazu: „Weimar 1999 wurde so manches genehmigt, was heute nie genehmigt werden würde!" Tja, die Gunst der Stunde.

Und was passierte nach 2001? Ein Jahr Beurlaubung oder im schönsten Amtsdeutsch Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess"! Dass ihn diese Wiedereingliederung nicht ausreichend ausgelastet hat, beweist ein ziemlich dickes Buch: „500 Jahre Geschichte der Staatskapelle Weimar" - Autor: Dr. Wolfram Huschke.

Seit 2002 ist er nun in den normalen Lehrbetrieb zurückgekehrt, seine Studenten haben ihn wieder und er fühlt sich wohl an der „Basis". Doch ein Huschke gibt sich nicht mit einem einzigen Betätigungsfeld zufrieden. Manchmal kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, ihn an mehreren Orten in Weimar gleichzeitig zu sehen. Als Leiter des Franz-Liszt-Zentrums rührt er die Werbetrommeln für das Thüringer Themenjahr 2011: Franz Liszt 1811-1886. Ein Europäer in Thüringen. Koordiniert vom Franz-Liszt-Zentrum der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar und von der Deutschen Liszt-Gesellschaft haben Partner in ganz Thüringen in einer mehr als zweijährigen Vorbereitungsphase eine Planung erarbeitet, in der sich um thematische Schwerpunkte mehr als 200 Veranstaltungen im Jahresverlauf 2011 ranken - darunter Konzerte, Wettbewerbe, Ausstellungen, Installationen, wissenschaft­liche Konferen­zen und der große Festakt des Freistaates Thüringen an Liszts 200. Geburtstag am 22. Oktober 2011. Das angestrebtes Ziel: Weimar als Musikstadt in Mitteleuropa zu positionieren.

„Weimar ist für mich eine Stadt der Künste, die in vielfältigster Beziehung miteinander agieren." Aus Wolfram Huschke sprudelt es nur so heraus:  Die geplante große Liszt-Ausstellung „Franz Liszt. Ein Europäer in Weimar" als Landesausstellung in Weimar am 24. Juni, dem Geburtstag von Großherzog Carl Alexander, die „Lisztomania 2011" mit einer „Europäische Liszt-Nacht" und einer internationalen Konferenz „Liszt-Interpretationen" - wo sich bei anderen erste Stresssymptome zeigen, fangen bei einem Wolfram Huschke die Augen an zu blitzen.

Es scheint, als habe er bis 2011 erst einmal genug zu tun! Und dann? - „... dann könnte ich ja vielleicht mal wieder ein Buch schreiben ...", sprichts und nimmt einen genüsslichen Schluck von seinem Burgunder.

Fragebogen: Wolfram Huschke

Weimar

Frage: Wann waren Sie das erste Mal in Weimar?
Antwort: Als ich hier das Licht der Welt erblickt habe, also seit meiner Geburt.
Frage: Wie war Ihr erster Eindruck?
Antwort: Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.
Frage: Haben Sie einen Lieblingsplatz in Weimar? (Lieblingsgebäude, Lieblingscafé oder Ähnliches)
Antwort: Viele! Frauenplan, Schloss, vor allem der Innenhof, der Park - Eigentlich ist hier vieles schön. Nach 60 Jahren hier leben fällt die Entscheidung schwer.
Frage: Wer ist für Sie die bedeutendste Person in Weimar? (der Vergangenheit und/oder der Gegenwart)
Antwort: Das ist genauso schwer zu sagen, wie mit den Plätzen ... Wenn ich entscheiden müßte: Goethe und als Musiker Franz Liszt. Die Welt deutet ja auf Goethe, meistens jedenfalls.
Frage: Welche Projekte o. Ä. haben Sie in Weimar durchgeführt?
Antwort: Ich habe mich mit vielen Schülern der Gymnasien chorisch beschäftigt. Der Schulchor war mein „Urprojekt". In meiner Zeit als Rektor dann die Sanierung der Hochschule, danach sind aus der Auseinandersetzung mit der Historie der Stadt 3 Bücher entstanden, ja und jetzt: alles was mit Liszt zusammenhängt.

Persönliches:

Frage: Wo ist Ihre Heimat? Was verbinden Sie mit ihrer Heimat?
Antwort: Weimar - „Eintönigkeit"! Anziehung und Abstoßung zugleich, die Qualität des Ortes, liebenswerte Eigenheiten der Überschaubarkeit, man kann als Individuum gut leben.
Frage: Was ist für Sie das größte Glück?
Antwort: Eine der schwierigsten Fragen ... Gesundheit, Zufriedenheit, befriedigende Arbeit ... man muss das eigentlich differenzieren in „persönliche" und „soziale Komponente", z.B. selbstbestimmtes Arbeiten und nette Studierende. Wenn man das hat, kann man doch zufrieden sein. Junge Menschen sind immer spannend, besonders Schüler. Die sind noch nicht ausgeformt und noch sehr offen.
Frage: Welche Ziele haben Sie bisher erreicht?
Antwort: Mehr als ich eigentlich hatte! Wenn man in der DDR aufgewachsen ist, die Wende miterlebt hat und sich auf einmal Chancen eröffnen ... ich hatte immer schon die Absicht, mich mit der Historie Weimars zu befassen, daraus hat sich dann meine musikhistorische Tätigkeit entwickelt und das war unter anderem eines meiner Ziele.
Frage: Welche Ziele haben Sie für die Zukunft?
Antwort: Ich habe meine Zukunft schon hinter mir -grinst- Eine Zweideutigkeit in meiner Grundhaltung, die zu einer gewissen Gelassenheit verhilft.
Frage: Haben Sie schon einmal etwas bereut?
Antwort: Sicher, aber darüber redet man nicht!
Frage: Was war für Sie ihr größter Erfolg?
Antwort: Wieder der schwierige Superlativ ... ich erinnere mich ...ich war  tief gerührt über meine Abirede, tief gerührt über Chorleistung beim Zentralen Chorleistungsvergleich in Schwerin 1981 - ein unerwarteter Erfolg der Spitzenklasse und ich war tief gerührt über die Abschiedsrede als Rektor.
Frage: Welches Land, das Sie bisher besucht haben, war für Sie das Beeindruckendste (und warum)?
Antwort: Ich habe zu wenig  Länder besucht, um das zu beantworten. Ich war gerade in Wien - eine beeindruckende Ansammlung grandioser Gebäude. Die Wiener haben eine bemerkenswerte Art, eine Großmacht (Habsburger) zu symbolisieren.
Frage: Welches Land möchten Sie unbedingt noch besuchen (und warum)?
Antwort: Kann ich Ihnen nicht beantworten. Seit die Grenzen offen sind, habe ich kein Fernweh.
Frage: Welche drei Bücher würden Sie mitnehmen auf eine einsame Insel?
Antwort: Faustus von Thomas Mann, Goethes Faust und die Bibel
Frage: Beabsichtigen Sie, selbst noch ein Buch zu schreiben?
Antwort: 3 hab ich schon, ich denke, das reicht.

 

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Foto: Alexander Busch

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