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Florian Russi

Einhorn-Geschichten

Die zwei schönsten Geschichten aus Florian Russis "Alids Traum" wurden für Kinder neu erzählt und farbig illustriert.

Jakobskirche und Jacobsfriedhof

Jakobskirche und Jacobsfriedhof

Karla Augusta

Klein und anheimelnd steht sie etwas am Rande des Altstadtkerns. Fern der üblichen Besuchermeilen und von den Touristen wenig beachtet scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein - an der Jakobskirche samt angrenzendem Friedhof. Ein bisschen traurig, wie ich finde, hält sie doch für literarisch und kunsthistorisch Interessierte einige „Schätze" bereit: Schließlich wurde hier am 19. Oktober 1806 Goethes „Bettschatz", seine ihn seit Jahren treu umsorgende Gefährtin Christiane Vulpius endlich zu seiner Frau, zu „Christiane von Goethe". Sie, die von der bornierten Weimarer Adelsclique wegen ihrer fehlenden Bildung und ihrer einfachen Herkunft verhöhnt und verspottet wurde, versperrte mutig am 14. Oktober desselben Jahres Napoleons vorstürmenden Soldaten den Weg in Goethes Wohnhaus am Frauenplan und konnte so die Plünderung verhindern. Goethe war zutiefst gerührt - welchen Mann ließe das schon kalt? Fünf Tage später führte er Christiane zum Traualtar der Jakobskirche. Christiane war ein prachtvoller Mensch - lebensfroh, zupackend, humorvoll - genau das, was der sensible Dichterfürst zum Überleben brauchte.

Umso schwerer traf ihn ihr Tod. Nach schwerer Krankheit starb sie im Jahre 1816 und wurde auf dem Jacobsfriedhof begraben. Ihre Grabplatte ziert ein Spruch Goethes:

"Du versuchst, o Sonne, vergebens,
Durch die düstren Wolken zu scheinen.
Der ganze Gewinn meines Lebens
Ist, ihren Verlust zu beweinen."

Doch nicht nur eine begrabene Liebe finden wir auf dem Jakobsfriedhof; nein, die hohe Kunst hat hier ebenfalls ihre letzte Ruhe gefunden: Lucas Cranach d. Ältere, bedeutendster Künstler der Reformationszeit und Freund Martin Luthers.

Auch etwas durchaus Geheimnisvolles hat dieser Ort. Ich sage nur: Schillers Schädel! Jahrzehntelang standen die Besucher fälschlicherweise ehrfürchtig vor dem Sarg mit der Aufschrift „Schiller", aber die neuesten Erkenntnisse haben gezeigt: Wo „Schiller" draufsteht, muss nicht unbedingt ein „Schiller" drin sein. Diese die Fangemeinde des Dichters und den Rest der Welt schockierende Erkenntnis kam durch ein Forschungsprojekt der Klassik Stiftung Weimar und des MDR ans Tageslicht. Anhand von DNA-Analysen fand man heraus, dass die in der Fürstengruft liegenden Gebeine und zwei Schädel in Schillers Sarg zweifelsfrei NICHT dem großen Dichter zuzuordnen sind! Seit das Ergebnis bekannt ist, setzt löblicherweise eine Informationstafel die Besucher der Fürstengruft davon in Kenntnis.

Wo aber ist der Gute nun begraben? Das sogenannte „Kassengewölbe" in einer Ecke des Jacobsfriedhofes bringt uns der Sache etwas näher: Dort wurden nämlich alle angesehenen Weimarer, die kein eigenes Familiengrab hatten, in einer Art Massengrab bestattet - und zwar in einem ziemlichen Durcheinander. Man fände ein „Chaos von Moder und Fäulnis" - so der Bürgermeister Carl Schwabe, der sich im Jahr 1826 auf die Suche von Schillers Gebeinen machte - immer begleitet vom öffentlichen Vorwurf der Leichenfledderei. Wie die Gerüchteküche der damaligen Zeit zu berichten weiß, soll er sogar nach Abbruch der offiziellen Suche heimlich ins Kassengewölbe eingestiegen sein (dieser Lump!) und an die zwanzig Schädel mit nach oben gebracht haben ... Diese reihte er dann zu Hause auf und entschied sich, da Schiller sehr groß war, für einen besonders großen Schädel - nur leider war es der falsche.

Im Jahr 1911 ging die ganze Sucherei von vorne los - diesmal waren es über 60 Schädel, die man ans Tageslicht beförderte - und oh je, man griff wieder voll daneben!
So kann man sich nun fast sicher sein: Irgendwo dort unten liegt er noch, der geniale Dichter der Weimarer Klassik. Schöpfer der bahnbrechenden „Räuber" und des „Tell"; privat ein schrulliger, schwieriger Einzelgänger, der jedoch gerne mit Goethe im Garten auf der eigens eingerichteten Kegelbahn kegelte, der zum Leidwesen seiner Frau Charlotte leidenschaftlich gern um Geld spielte, der seinen Schlafrock den ganzen Tag nicht ablegte und damit sogar durch Weimar lief, der seinen Besuchern verbot, ihn anzusprechen, wenn er gerade „mitten im Denken" war, so dass sogar Goethe eingeschüchtert in einer Ecke des Zimmers saß und erst zu sprechen wagte, wenn Schiller das Wort an ihn richtete ...

Findet ihr nicht auch, man sollte ihn in Frieden ruhen lassen?

Eure Karla Augusta

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Am Jakobskirchhof
99423 Weimar

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