Weimar-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Weimar-Lese
Goethe hat ihn bewundert von Horst Nalewski
Goethe hat ihn bewundert.

Goethes Begegnungen mit Felix Mendelssohn Bartholdy.

Der Musikkenner und international geachtete Literaturwissenschaftler Horst Nalewski erzählt anhand fünf ausgewählter Beispiele von dem außergewöhnlichen Aufeinandertreffen und Zusammenwirken zweier Künstler. Eine CD mit den Musikstücken liegt diesem Büchlein bei.
Erschienen 2011 im Bertuch Verlag.

Goethe und eine etwas morbide Geschichte

Karla Augusta

Goethe und eine etwas morbide Geschichte

Es war, so kann man sagen, eine Nacht-und-Nebel-Aktion: Bevor Schillers Gebeine ihre letzte Ruhe in der Fürstengruft finden sollten, ließ Goethe sie sich aus der Anna-Amalia-Bibliothek in sein Haus am Frauenplan bringen. Wie man munkelte, soll der Geheimrat den Schädel seines Freundes andächtig in den Händen gehalten haben! Ungeheuerlich und das nicht nur für den heutigen Geschmack. Umso mehr wundert es einen, da alle Welt weiß, dass Goethe alles andere als ein Freund von Begräbnissen war. Er fehlte nicht nur bei der Feierstunde zu Ehren seines Freundes Schiller. Auch bei der Beerdigung seiner Eltern glänzte er durch Abwesenheit. Und als seine Frau Christiane ins Leichenhaus gebracht wurde, vergrub er sich laut Tagebuch in seinem Bett und ward nicht mehr gesehen.

Woher weiß man nun um diese schier haarstäubende Geschichte? Wilhelm von Humboldt ist die undichte Stelle, ja, er hat aus dem Nähkästchen geplaudert. Sein Freund Goethe war höchstwahrscheinlich stinksauer, hatte er sich ihm doch unter Wahrung größten Stillschweigens anvertraut. Uns freut es, wüssten wir doch sonst nicht um diese skandalöse Einzelheit: „Jetzt liegt er (der Schädel) auf einem blausamtenen Kissen und es ist ein gläsernes Gefäß darüber, das man abnehmen kann", schreibt Humboldt in seinem Brief an seine Frau. Einerseits entrüstet über diese unglaubliche Begebenheit, kann auch er sich anscheinend dem morbiden Charme von Schillers Schädel nicht entziehen - etwas verschämt, so hat man den Eindruck, gesteht er, dass „er sich an der Form des Kopfes nicht satt sehen könne".

Doch was faszinierte Goethe nun wirklich an diesem Relikt? Bestimmt nicht wehmütige Erinnerungen an die vielen anregenden geistigen Gespräche oder gemeinsame Kegelabende bei einem guten Glas Wein, nein, dazu war Goethe zu sehr Naturwissenschaftler: Schillers Schädel als Objekt der Begierde seiner naturwissenschaftlichen Studien. Doch da bei Goethe neben der wissenschaftlichen Ader die Poetische gleichstark ausgebildet war, entstand im Angesicht des geputzten, präparierten und auf Hochglanz polierten Schädels Goethes letztes, großes naturphilosophisches Altersgedicht. Dieses so genannte „Beinhaus-Gedicht" fand schließlich unter dem Titel „Schillers Reliquien" Eingang in die Goethe-Ausgaben. Der Clou an der ganzen Geschichte: Ob die Knochen, die Goethe zu dem kreativen Schub beflügelten, tatsächlich von Schiller stammten - darüber stritten die Gelehrten mehr als 100 Jahre lang. Erst im Mai 2008 brachten Recherchen eines MDR-Fernsehteams die Wahrheit ans Licht: Schillers Schädel ist nicht echt!

Eure Karla Augusta

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Werbung
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen