Weimar-Lese

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hrsg. von Fl. Russi & C. Eberhardt

Lieder von Friedrich Silcher

Friedrich Silcher machte sich vorallem einen Namen durch das Sammeln von Volksliedern und der Publikation von Chorsätzen zu traditionellen Liedern. In diesem Heft finden sich zwanzig seiner im Chorsatz SATB gestzten volkstümlichen Lieder.

Weimars Sagen

Weimars Sagen

Bruno Heinrich Eelbo

Verwundert und erstaunt blickt Weimar auf eine aufregende und inspirierende Geschichte zurück. Nicht umsonst wird die beschauliche Kleinstadt an der Ilm auch als die Stadt der Dichter und Denker bezeichnet. Denn nicht nur Goethe und Schiller lebten und wirkten hier mit großen literarischen Taten. Auch Luther, Liszt, Lucas Cranach d.Ä., Wieland und viele weitere Berühmtheiten der schönen Künste erwählten Weimar zu ihrem Wohn- und Lebensort. Hat man sich schon lange gefragt, was es mit der besonderen Anziehungskraft der Stadt auf sich hat, erhält der Fragende mit diesem Gedicht über die Weimarer Sagen vielleicht eine Antwort.

Carolin Eberhardt

In Weimar ist von alter Zeit

Manch seltne Eigentümlichkeit

Zu Hause stets gewesen;

Beweise bringt dafür genug

Manch altehrwürdig Sagenbuch,

das ich seither gelesen.

 

Es läg‘ dort einfach in der Luft

Der Muse süßer Seelenduft

Wie nirgendwo auf Erden;

Und wer dort lang genug verweil‘,

Der könne zu der Menschheit Heil

Ein großer Dichter werden.

 

Dort sei der Sänger Gnadenort,

So klingt ein alt Prophetenwort

Im sechzehnten Jahrhundert.

Drum hat die ganze Herrlichkeit

Der großen Goethe-Schiller-Zeit

Mich niemals sehr gewundert.

 

Doch seit man in die Brunnen schaut

Und überall Kanäle baut

In Gas- und Wasserwerken,

ist leider von dem heil’gen Geist,

Wie selbst wohl dieses Lied beweist,

Fast gar nichts mehr zu merken.

 

Auch in der Ilm ist es vorbei

Mit jener schönen Wassserfei,

Von der die Dichter sangen.

Das Leben in dem seichten Fluß

War auf die Dauer kein Genuß –

Sie ist davon gegangen.

 

Und nur das graue Klageweib

Mit spukhaft dürrem Spinnenleib,

das nächtlich ward gesehen

Und Kunde gab von nahem Tod,

Von Kriegsgefahr und Feuersnot,

Das konnt‘ nicht untergehen.

 

Doch nicht, wenn Mitternacht längst schlug,

Wenn ich mich sacht nach Hause trug,

Hört‘ ich ihr Klagen, Weinen,

Nein, morgens immer in der Früh‘,

Wo andere Gespenster nie

Dem Erdensohn erscheinen.

 

Dann kam, wohl oft im Sonnenschein,

Das graue Weib zu mir herein

In meine stille Kammer,

Riß bei den Haaren mich empor

Und schrie mir schauerlich ins Ohr:

„O Jammer, Jammer, Jammer!“

 

*****

Vorschaubild: 

Ölgemälde von Hermann Linde: Die Schlossallee in Weimar (1887) via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

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